Sonntag, 11. Oktober 2015

Für meine Lesefreunde: Sternendeuter, Horoskope und naturwissenschaftliche Bildung


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In keinem der genannten Punkte vertritt nämlich diese Partei in diesem Beispiel die Mehrheit. Kein Wunder also, dass sich die Wähler verarscht vorkommen. Damit will ich es erst einmal belassen gemäß dem Sinnspruch „Si tacuisses, philosophus mansisses“. Aber auf eine Dummheit, die auch heute noch in manchen Kreisen wie eine Wissenschaft betrieben wird, muss ich nach diesem kleinen Ausflug in die Abgründe der demokratischen Staatsform doch noch eingehen: Der Astrologie. 

Sternendeuter, Horoskope und naturwissenschaftliche Bildung


Einer der größten Wissenschaftler deutscher Zunge (wenn nicht der Größte!), Johannes Kepler (1571-1630), musste davon leben, ohne von ihr gänzlich überzeugt zu sein. Von ihm stammt das Zitat 

Es ist wol diese Astrologia ein närrisches Töchterlein … aber lieber Gott | wo wolt jhr Mutter die hochvernünftige Astronomia bleiben | wenn sie diese jhre närrische Tochter nur hette | ist doch die Welt viel närrischer | und so närrisch | daß deroselben zu jhrer selbst frommen diese alte verständige Mutter die Astronomia durch der Tochter Narrentaydung | … | nue eyngeschwatzt und eyngelogen werden muß | Auch sind sonsten der mathematicorum salaria so seltsam und gering, daß die Mutter gewißlich Hunger leiden müßte, wenn die Tochter nichts erwürbe.“ 

Man findet es in seiner 1610 in Frankfurt/M. erschienen Schrift „Tertius interveniens, das ist die Warnung an etliche Theologos, Medicos und Philosophis, sonderlich D. Philippum Feselium, daß sie bey billicher Verwerffung der Sternguckerischen Aberglauben / nicht das Kindt mit dem Badt außschütten / und hiermit ihrer Profession vnwissendt zuwiderhandlen“, wer es einmal im Original nachlesen möchte. Als „Astrologie“ wird gemeinhin die esoterische Vorstellung bezeichnet, dass sich aus den Positionen von Himmelskörpern (insbesondere der Planeten) zur Geburt eines Menschen dessen Schicksalswege und Persönlichkeitsmerkmale vorhersagen lassen.


Originalhoroskop, aufgestellt von Johannes Kepler

Diese „volkstümliche“ und auch heute noch sehr populäre Lehre ist in ihrer „ernsten“ Form viel komplexer als man gemeinhin denkt, wenn man in Boulevardblätter Horoskope liest. Sie selbst hat eine sehr lange Geschichte und Tradition hinter sich, die bis zu den Babylonier und Assyrer zurückreicht und die erst zu Beginn der Neuzeit (zumindest in der alten Welt) von der Astronomie methodisch getrennt wurde. Die meisten Astronomen des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Neuzeit waren deshalb auch oft anerkannte Astrologen, denn in der damaligen akademischen Ausbildung wurde Astronomie und Astrologie fast immer zusammen gelehrt. Die erste große Kodifizierung der Astrologie mit dem Versuch, physikalische Wirkübertragungsmechanismen auf das Schicksal der Menschen zu postulieren, stammt von Claudius Ptolemäus (um 100 bis 175). In seinem Werk „Tetrabiblos“ (die „vier Bücher“, um 150 n. Chr.) gelingt ihm eine Zusammenfassung der hellenistischen astrologischen Vorstellungen, die er mit der Vorhersage astronomischer Erscheinungen wie spezielle Planetenkonstellationen, Mondphasen, Verfinsterungen etc. verbindet. Dabei wird ihm, wie auch vielen seiner Nachfolger, die fatalistische Natur der Astrologie durchaus klar, die in ihrer konsequenten Form jede freie Willensentscheidung verneint. Dieses Dilemma der klassischen Astrologie konnte in der Folge nur abgeschwächt, aber nie vollständig gelöst werden und stellt in der aufgeklärten Welt auch heute noch das wichtigste Gegenargument für eine astrologische Weltsicht dar (Warum unterscheiden sich die Lebenswege und Charaktere von Zwillingen, die unter den gleichen „Sternzeichen“ geboren wurden, oft fundamental?). Erste Zweifel an der erklärten Funktionsweise der Astrologie kamen in der Renaissance auf, als z. B. Giovanni Pico Della Mirandola (1463-1494) seine in seinen „Disputationes adversus astrologiam“ beschriebenen statistischen Untersuchungen über astrologische Wettervorhersagen versus „wahres Wetter“ veröffentlichte.


Auch Johannes Kepler, der, wie bereits erwähnt, einen nicht unbeträchtlichen Teil seines Lebensunterhaltes mit der Erstellung von Horoskopen bestreiten musste, hatte gewisse Zweifel an der schicksalhaften Bedeutung der Sterne, ohne dass er die Astrologie jedoch gleich völlig ablehnte. Die stärksten Gegenargumente in Bezug auf die Astrologie ergeben sich nicht aus ihrer mangelnden empirischen Bestätigung, sondern aus ihrer inneren logischen Struktur und sind damit erkenntnistheoretischer Natur. Die Frage ist, ob es überhaupt logisch möglich ist, die Astrologie mit einem Inhalt zu versehen, der die von ihr behauptete Einflussnahme der Gestirne auf die menschlichen Charaktereigenschaften in eine nachvollziehbare und überprüfbare Wirkungskette überführt, auf die wiederum die von Karl Popper (1902-1994) formulierten Anforderungen an eine wissenschaftliche Theorie angewendet werden kann. Diese Frage muss vom wissenschaftlichen Standpunkt aus verneint werden. Das erkennt man bereits daran, dass die Astrologie mit Symbolen und Beziehungen zwischen diesen Symbolen arbeitet, die sich, wenn man sie genauer betrachtet, als künstliche Konventionen erweisen und wie Dogmen behandelt werden (so wie die Tierkreiszeichen).


Es ist beispielsweise hochgradig unverständlich, warum gerade die Sternbilder des Tierkreises im Zusammenspiel mit den Planeten, mit Sonne und Mond, die sich gerade darin aufhalten, irgendwelche Wirkungen auf Menschen ausüben sollen und andere auffällige Objekte wie z. B. das Sternbild Orion oder der Stern Sirius nicht. Es ist deshalb richtig, trotz der wissenschaftlichen Methodologie, der sich Astrologen beim Erstellen von Horoskopen bedienen, hier von einer Pseudowissenschaft (oder „Cargo-Kult-Wissenschaft“, ich komm darauf zurück) zu sprechen. Diese Einschätzung ist schon deshalb geboten, weil die Astrologie immanent resistent gegen intersubjektive Überprüfbarkeit ist und auch jegliche Offenheit gegenüber empirische Falsifizierbarkeit vermissen lässt. Das große Interesse an der Astrologie in der heutigen Zeit lässt sich aus dem Wunsch jedes Menschen erklären, etwas über sein künftiges Schicksal zu erfahren. Die Antwort der Wissenschaft ist dagegen eher nüchtern. Komplexe Systeme, wie die menschliche Gesellschaft, in die jedes Individuum eingebunden ist, sind prinzipiell nicht prognostizierbar. Hier bietet die Astrologie eine scheinbare Lebenshilfe, was man durchaus nicht immer kritisch sehen muss. Dort wo naturwissen-schaftliche Bildung unterentwickelt ist oder fehlt, was für den größten Teil der Menschheit zutrifft, wird man sich im Alltagsleben natürlich mehr von esoterischen als von naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten leiten lassen. Und dafür ist ein Horoskop ein ideales Mittel. Dessen Beliebtheit unter den mehr schlichten Gemütern unter uns rührt u. a. davon her, dass zumindest die Horoskope, die man in diversen Boulevardblätter wöchentlich lesen kann (und die mit „echten“ Horoskopen weiß Gott nichts zu tun haben!), scheinbar eine hohe Trefferquote aufweisen. Das ist auch nicht verwunderlich, denn ihre von professionellen (man lese „geldgeilen“) Astrologen am Fließband produzierten Aussagen sind sehr allgemein gehalten, unterschwellig positiv besetzt und bewirken eine Art Wiedererkennungseffekt. Dem liegt die psychologisch verständliche Neigung zugrunde, vage und allgemeine und unterschwellig positiv besetzte Aussagen über sich selbst als zutreffend zu empfinden. 

Barnum-Aussagen

Solche Aussagen werden gewöhnlich als Barnum-Aussagen bezeichnet. Sein Namensgeber, der Gründer des New Yorkers Kuriositätenkabinetts („Barnum’s American Museum“) Phineas Taylor Barnum (1810-1891), begann seine Karriere als Losverkäufer und Zeitungsgründer. Später widmete er sich der Schaustellerei und gründete 1842 in New York sein „American Museum“ – ein Konglomerat aus Kuriositätenkammer, Tierpark, Wachsfigurenkabinett und kabarettistischem Theater. Und er hatte damit großen Erfolg.


Leider brannte es am 13. Juli 1865 komplett ab. „The New York Times“ berichtete ausführlich darüber und schätzte die Schadensumme auf über 1 Million Dollar – und das zu einer Zeit, wo ein Dollar noch wirklich was wert war! Kurz gesagt, der Schaden war immens und es dauerte bis zum Jahr 2000, bis das Museum unter der Agide des New Yorker Universitätsverbundes wieder neu eröffnet werden konnte. Herr Barnum. der nach dem Brand sein Glück in der Politik suchte, hat das natürlich nicht mehr miterleben dürfen. Er starb bereits 109 Jahre vor diesem denkwürdigen Ereignis. Aber ihn hätte es sicherlich gefallen. Aber zurück zum Großbrand. 

Chang und Eng Bunker aus Siam

Mit ihm wurde eine Person, Chang Bunker und Eng Bunker (1811-1874) aus Tambon in Siam (heute ein Teil von Thailand) für kurze Zeit arbeitslos, denn sie trat dort regelmäßig auf. Aber die Arbeitslosigkeit währte nur für kurze Zeit, denn diese Person war eine echte Attraktion und hatte es gelernt, sich selbst gewinnbringend zu vermarkten. Chang und Eng waren nämlich Zwillinge, was an sich erst einmal nichts Besonderes ist.


Ihr Geburtsland Siam und der Fakt, dass sie an der Seite zusammengewachsen waren, aber schon. Kurz gesagt, Chang und Eng Bunker waren siamesische Zwillinge. Sie waren wegen dieser Laune der Natur verdammt, ihr Leben im wahrsten Sinne des Wortes gemeinsam zu verbringen. Mit 17 kamen sie in die USA und traten dort in verschiedenen Shows auf, so auch in Barnum’s Kuriositätenkabinett. Trotz oder wegen ihrer Behinderung und ihrer Geschäftstüchtigkeit waren sie durchaus geachtete Persönlichkeiten. Mit 30 Jahren heirateten sie ein Schwesternpaar und ließen sich in North Carolina nieder. Aus dieser Beziehung gingen insgesamt 22 Kinder hervor… 1870 besuchten sie Deutschland und trafen dabei auch auf den berühmten Arzt Rudolf Virchow (1821-1902), der den Vorschlag machte, beide Brüder operativ zu trennen. Da man aber damals nicht wusste, ob sie vielleicht einige Organe gemeinsam nutzten (was nicht der Fall war, wie eine Obduktion nach ihrem Tod klarstellte), nahm man davon Abstand. Heute ist das anders. 

Trennung von siamesischen Zwillingen

Siamesische Zwillinge werden durchaus hin und wieder einmal geboren. Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt bei ca. 1 zu 1 Million. Am häufigsten sind Brustverwachsungen wie bei Chang und Eng. Sie lassen sich oft – genauso wie Hüftverwachsungen, relativ leicht operativ auftrennen. Auch Kinder, die am Kopf zusammengewachsen sind, versucht man heute operativ zu trennen. Ein besonderes Aufsehen erregender Fall war die Operation des Zwillingspaars Ladan und Laleh Bijani aus dem Iran. Aus anatomischen Gründen hielt man lange Zeit bei ihnen eine Trennung für völlig unmöglich. Erst ein Ärzteteam aus Singapur sahen Chancen für ein Gelingen. Und so versuchte man es im Jahre 2003. Aber der Versuch ging leider völlig daneben. Aufgrund des großen Blutverlustes während des von 28 Ärzten durchgeführten Eingriffs verstarben beide Schwestern an Kreislaufversagen. Siamesische Zwillinge gibt es auch bei Tieren. Insbesondere Nutztiere mit zwei Köpfen (die keine „echten“ siamesischen Zwillinge sind, sondern an Dizephalie leiden) tauchen öfters mal in der Presse auf, die ja für derartige „Sensationen“ sehr affin ist. Denn sie versprechen wie Katastrophenmeldungen und Klatschgeschichten eine große Aufmerksamkeit und damit eine hohe Auflage. 

Tageszeitungen und Journale

Die erste „echte“ Tageszeitung der Welt (die auch schon diesem Inhalt frönte) erschien im Jahre 1650 in Leipzig. Die große Verbreitung des Druckhandwerks, welches auf der Erfindung Johannes Gutenbergs (1400-1468) beruhte, machte es möglich, an jedem Tag der Woche (außer Sonntag, die Kirche war damals noch dagegen) eine „Zeitung“ erscheinen zu lassen. Zuvor erschienen „Zeytungen“ (was so viel wie „Nachrichten“ bedeutet) entweder nur unregelmäßig oder höchstens einmal die Woche. Ihre Verbreitung war meist sehr lokal und auf größere Städte und Residenzen beschränkt. Das schlägt sich oft auch in ihrem Namen wider. So in der seit 1703 ununterbrochen erscheinenden „Wiener Zeitung“ und in der ältesten in Deutschland erscheinenden Zeitung, der „Hildesheimer Allgemeinen Zeitung“ (seit 1705).


Zur Zeit der Aufklärung wurden Zeitungen – und noch viel mehr die mehr themenbezogenen Zeitschriften („Journale“) – immer beliebter und ihre Lektüre entwickelte sich zu einer regelmäßigen Wochenendbeschäftigung der gebildeten Kreise. Auf diese Art wurde der aufgeklärte Bürger immer wieder neu mit Themen für gepflegte Gespräche versorgt, wie man es sehr schön in Goethes „Faust“ im Abschnitt über den „Osterspaziergang“ nachlesen kann: 

Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen, als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei, wenn hinten, weit, in der Türkei, die Völker aufeinander schlagen. Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus und sieht den Fluss hinab die bunten Schiffe gleiten; Dann kehrt man abends froh nach Haus, und segnet Fried’ und Friedenszeiten.“ 

Und auch die Einstellung, die sich in diese Zeilen ausdrückt, dürfte dem geneigten Leser nicht ganz unbekannt erscheinen. Zeitungen und Zeitschriften verfolgten von Anfang an zwei Ziele, einmal die Leser bei der Stange zu halten und zum anderen, Informationen in Form von Anzeigen und Inseraten zu verkaufen. Je nach beabsichtigtem Publikum entwickelte sich daraus die seriöse Informationspresse, die ihre wichtigsten Themen aus Politik und Wirtschaft generieren, und die Klatschpresse, die entweder der Unterhaltung dient oder die mehr das Informationsbedürfnis schlichter Gemüter befriedigt. 

Boulevard und Volksverblödung

Natürlich spricht man heute von „Boulevard“, was irgendwie eleganter klingt. Er umfasst mittlerweile nicht nur Druckerzeugnisse, sondern besetzt im hohen Maße auch die Sendezeiten diverser Fernsehkanäle und ergänzt damit auf vorbildliche Weise das Anliegen der „Volksverblödung“ um einen besonders wirkungsvollen Aspekt, dessen Ziel es ist, aus einfachen Menschen ein der Politik genehmes, zufriedenes und möglichst nicht aufmüpfiges „Wahlvolk“ zu machen.



Denn, wie man als aufgeklärter Beobachter recht schnell erkennen kann, zielt der Boulevard einzig auf „Geld, Langeweile und die Erschütterbarkeit des sozialen Friedens, vornehmlich durch Stimulation von Angst, Schadenfreude und Neid“ ab. Banalitäten und Nebensächlichkeiten, Privates, was im Allgemeinen niemanden zu interessieren hat (nur geadelt durch die Prominenz des freiwilligen oder unfreiwilligen Opfers), sowie Dümmliches, zum Fremdschämen geeignetes, bilden einen medialen Inhalt, in dem die bürgerliche Dekadenz in vielfältiger Form gedeihen kann. Und genau das sichert den Herausgebern hohe Auflagen und Fernsehsendern hohe Einschaltquoten. Wenn man es richtig bedenkt, müsste sich bereits aus diesen Kennzahlen so etwas wie eine Quote berechnen lassen, welche die geistige Gesundheit verschiedener Völker vergleichbar machen lässt. 

„Qualitätspresse“

Von der „Klatschpresse“ ist natürlich die „Qualitätspresse“ zu unterscheiden, die für sich einen Informationsauftrag in Anspruch nimmt und gemeiniglich als „seriös“ gilt. Viele von ihnen haben einen guten bis ausgezeichneten Ruf wie die „Washington Post“, die „Frankfurter Allgemeine“ oder die „Neue Züricher Zeitung“, um nur drei von ihnen als Beispiel zu nennen. „Seriös“ bedeutet hier, dass zumindest prinzipiell nachprüfbare Fakten vermittelt werden,


Kommentare auch als Kommentare gekennzeichnet werden, man möglichst Ideologisieren vermeidet, sich Propaganda enthält und man, was das Wichtigste ist, den Leser nicht für dumm verkauft. 

Sapere aude! - das beste Mittel gegen Propaganda

Eine Meinung soll sich nämlich der Leser selbst bilden (sapere aude!) und nicht vorgefertigt zur kritiklosen Übernahme vorgesetzt bekommen, so wie die Kuh die Silage. Und diese Grundsätze guten Journalismus gehen, wenn man gegenwärtig besonders in den deutschen „Qualitätsmedien“ die Berichterstattung zur Euro-Finanzkrise, zum Griechenland-Problem oder, noch schlimmer, zum Ukraine-Konflikt verfolgt, gerade (mit einigen wenigen löblichen Ausnahmen) den Bach runter. Dazu gehören die Verschleierung von Interessenlagen, das Beschneiden oder Weglassen von Informationen, deren unkritische Übernahme (es wird, wie man an vielen Beispielen während der Ukraine-Krise beweisen kann, in manchen Redaktionen nicht einmal mehr auf Plausibilität geprüft), die Verteufelung einzelner Personen und – bei Online-Medien besonders beliebt – das Ausschalten der Kommentarfunktionen. Auch kann man wieder verstärkt beobachten, wie schlagzeilenträchtige Falschmeldungen auf der ersten Seite quasi als „Wahrheit“ verkauft werden, und wenn dann ein Teil des Publikum (und Leute, die es wissen müssen) die Falschmeldung als das erkennen, was sie ist, es die Redaktion nicht einmal mehr für nötig erachtet, von sich aus eine Richtigstellung zu veröffentlichen (und wenn doch, dann nur kurz und im redaktionellen Teil versteckt - Calumniare audacter, semper aliquid haeret)). Dabei dürfte auch den Journalisten klar sein, dass man politische Konflikte durchaus auch herbeischreiben kann. Wenn man ein nicht überprüftes Gerücht oder eine von interessierten Kreisen lancierte Falschmeldung als „Nachricht“ verkauft, die der Empfänger der Nachricht (der Leser) quasi glauben muss, und sich daraus wiederum eine Stimmung entwickelt, die zu entsprechenden Reaktionen führt, dann kann so etwas schnell aus dem Ruder laufen. Immerhin wurden mit derartigen Gerüchten und Falschmeldungen schon Kriege angezettelt, die ohne eine entsprechende journalistisch-publizistische Vorbereitung niemals dem Volk hätten schmackhaft gemacht werden können. Ich denke, dem Leser werden dazu einige passende Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit selbst einfallen. 

Sich selbsterfüllende Prophezeiungen

Gerüchte oder Falschmeldungen können also, wenn sie nur oft genug kolportiert werden, sich unter Umständen zu selbst erfüllenden Prophezeiungen auswachsen. Darunter versteht man „eine Annahme oder Voraussage, die schon aus der Tatsache heraus, dass sie gemacht wurde, das Angenommene, Erwartete, oder Vorhergesagte zur Wirklichkeit werden lässt und so die eigene Richtigkeit bestätigt“ (Paul Watzlawick).



Das „bekannteste“ Beispiel ist die Bank mit angeblichen Zahlungsschwierigkeiten. Verbreitet sich dieses Gerücht, dann werden viele Kunden der Bank sich genötigt sehen, so schnell wie möglich ihr Geld von dort abzuheben, was dann dazu führt, dass die Bank in Zahlungsschwierigkeiten gerät etc. 

Ödipus und das Orakel von Delphi

Das „klassische“ Beispiel ist dagegen die Geschichte von Ödipus, die auf das Wesentliche verkürzt folgendermaßen nacherzählt werden kann: Seinem Vater wurde einst in Delphi von der gerade amtierenden Pythia folgendes vorhergesagt: 

Solltest du dich je unterstehen, einen Sohn zu zeugen, so wird dieser seinen Vater erschlagen und seine Mutter heiraten“. 

Und als es dann doch geschah, dass Ödipus geboren wurde, hat man ihn als Kind ausgesetzt, um ihn in der Wildnis sterben zu lassen. Er konnte also als Kind seinen leiblichen Vater und seine leibliche Mutter nie kennenlernen. Aber er wird gerettet und wächst in einer fremden Familie auf (die des Königs Polybos von Korinth, für diejenigen, die es genau wissen möchten), wo er groß und stark wird. Als Jüngling vernahm er hinter seinem Rücken, dass er gar nicht der Sohn des Königs sei. Das ließ ihm keine Ruhe, und so machte auch er sich auf den steinigen Weg nach Delphi, dem Apollon-Heiligtum am Fuße des Parnass, um diesbezüglich das Orakel zu befragen. Es blieb aber eine befriedigende Antwort schuldig und verriet ihm nur, dass er seinen Vater töten und seine Mutter zur Frau nehmen werde. Um das zu verhindern (er vermutete seine Eltern in Korinth), verließ er seine Heimatstadt gen Daulis. Dabei geriet er an einer Weggablung in Streit mit dem Fahrer eines ihm entgegenkommenden Pferdewagens. Das Ergebnis ist seit über 2700 Jahren bekannt – der Kutscher und sein Mitfahrer wurden von Ödipus erschlagen. Nur leider war der Mitfahrer sein Vater Laios und damit der erste Teil der Prophezeiung erfüllt. Auch wie es weitergeht, hat sich überliefert, denn sonst hätte es Gustav Schwab nicht so spannend nacherzählen können. Ödipus gelingt es, das Rätsel der Sphinx zu lösen und erhält dafür als Lohn die Königin Iokaste zur Frau. Und sie war, wie zu vermuten, zuvor die Frau Laios und damit seine Mutter. Aber auch das wusste er zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht, weil sich sein Orakelglauben im Gegensatz zu den von Krösus (s. u.) offensichtlich deutlich in Grenzen hielt. Und so zeugte er mit seiner Mutter ein Zwillingspaar (nein, nicht Kastor und Pollux, sondern Eteokles und Polyneikes). Doch dann drohte Unheil in Form einer verheerenden Seuche dem Land, und das Orakel von Delphi orakelte prompt, dass sie nur dann abgewendet werden kann, wenn der Mörder von Laios gefunden wird. Und es kam, wie es kommen musste. Der blinde Seher Teiresias „sah“, das Ödipus der Mörder war. Iokaste erhängte sich darauf hin und was mit Ödipus geschah, ist im Einzelnen nicht im Detail überliefert. Es existieren nämlich verschiedene Darstellungen über sein weiteres Leben bzw. sein Ableben und jeder kann sich seine eigene, ihm genehme Version davon aussuchen… Das Schicksal von Ödipus wurde sowohl im Altertum (Sophokles, Aischylos, Euripides) als auch in der Neuzeit auf vielfältige Weise in Kunst und Literatur verarbeitet. 

Jim Morrison und der Ödipus-Komplex

So wird eine Passage in Jim Morrison’s (1943-1971) berühmten Song „The End“ („This is the end, my only friend…“) mit einem Hinweis auf den Ödipus-Komplex in Verbindung gebracht.



Darunter versteht man die libidinöse Bindung beispielsweise eines Knaben an die Mutter bei gleichzeitiger Eifersucht und Abneigung gegenüber dem Vater als Ausdruck der kindlichen Sexualität. Nach Sigmund Freud (1856-1939) sollen sich damit diverse Neurosen im Erwachsenenalter erklären lassen, was aber umstritten ist. 

Am Fuße des Parnass...

In Ödipus‘ Geschichte spielt das Orakel von Delphi gleich an mehreren Stellen eine Rolle. Delphi war eine von mehreren Orakelstätten im alten Griechenland, galt aber um 700 v. Chr. als deren wichtigstes spirituelle Zentrum. Aufgrund der aktuellen Eurokrise kann es heute selbst ein normal verdienender Germane relativ kostengünstig besuchen. Ihn wird aber nur eine Ruinenstätte und eine Pythia mimende Schauspielerin neben der obligaten Kassiererin am Eingang zum Heiligtum erwarten – ein fahler Abglanz jener Zeit, als Delphi das beschwerliche Ziel vieler berühmter Könige wie Laios, der König von Theben, Ödipus, dessen Sohn, der Phryger Midas und natürlich Krösus, der der letzte König der Lydier war. Über die letzten beiden möchte ich nun etwas, wie ich meine, durchaus Interessantes berichten, da deren Schicksal maßgeblich vom Spruch der Pythia beeinflusst wurde. Dazu muss man wissen, dass Delphi ein Heiligtum des Gottes Apollon war, welches einst, wie bereits erwähnt, am Fuße des mächtigen Gebirges Parnass errichtet wurde (dort lebt übrigens der Apollofalter, Parnassius apollo). Wie es dort zwischen dem 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. zuging, hat uns der berühmte Historiker Plutarch (45-125) – schon aus einer gewissen zeitlichen Distanz – überliefert. Zuerst einmal im Jahr, dann später, als man merkte, dass sich „orakeln“ für die Bewohner Delphis überaus lohnt (man musste extra Schatzhäuser zum Aufbewahren der Gastgeschenke der Pilger bauen), jeden Monat, begab sich die Hohepriesterin, Pythia, genannt, in einem klassisch weißem Gewand in das Innere des Heiligtums, an dessen Wand der Spruch „Gnothi seauton„ prangte, um sich dort auf einen höchst unbequemen dreifüßigen Stuhl zu setzen.


Dort wurde sie von einem aus einer Spalte aufsteigenden berauschenden Dunst eingenebelt, bis sie in Trance die ihr von den Priestern zugerufenen Fragen beantwortete, wobei man glaubte, dass die Antworten ihr direkt von Apollon zugeflüstert wurden. Und die Antworten hatten es in sich, denn sie waren oft hochgradig interpretationsbedürftig, um nicht zu sagen, völlig unverständlich. 

Das Pech des Krösus

Einer, der vom Wahrheitsgehalt des Delphischen Orakels zutiefst überzeugt war – nachdem er die Pythia auf eine Probe gestellt hatte -, war der König und Lebemann Krösus (590-541 v. Chr.) aus Lydien. Und das kam so. Als er die Pythia sein Lieblingsgericht erraten ließ, sprach sie folgende, in altgriechische Hexameter gegossene und hier in Deutsch wiedergegebene Worte: 

Wohl weiß ich, wieviel Sand im Meer, wie die Weite des Wassers, selbst den Stummen vernehm‘ ich und höre des Schweigenden Worte. In dem Sinne dringt mir der Geruch der gepanzerten Kröte, wie man sie kocht zusammen mit Lammfleisch in eherner Pfanne, Erz umschließt sie von unten, wie Erz auch darübergezogen.“ 

Und genau, Lammfleisch mit Schildkröte war das Lieblingsgericht Krösus‘. So ist es nicht verwunderlich, als er einen Kriegszug gegen den Perserkönig Kyros II. plante, dass er sich erst einmal über dessen Ausgang bei der delphischen Pythia erkundigte. Und die Antwort war für ihn sonnenklar: 

Wenn du den Halys überschreitest, wirst du ein großes Reich zerstören.“ 

Sein Pech war, dass er sich nicht vorstellen konnte, dass es sein eigenes Reich war, welches er mit der Überschreitung des Grenzflusses zu Kappadokien, also der damaligen Grenze zu Persien, zerstörte. Ein vermeidbares Missverständnis, würde man heute meinen. Pythias Sprüche waren halt mehrdeutig… 

Das Gold des Midas

Auch Midas, der sagenhafte König von Phrygien, soll das Orakel von Delphi oft befragt und viele Geschenke dort gelassen haben. Er wurde aber durch eine andere Begebenheit bekannt. Man erzählt sich, dass eines Tages ein paar Bauern einen Freund des Gottes Dionysos, der gerade seinen Rausch ausschlief, auf dem Boden liegend vorfanden und ihn zu König Midas schleppten. Er nahm ihn freundlich auf und lud ihn zu einem Saufgelage ein, bevor er ihn zu Dionysos zurück brachte. Der Gott, dankbar, dass er seinen Freund so gut bewirtet hat, gewährte Midas einen Wunsch. Und er wünschte sich in seiner ganzen Einfalt und Gier, dass alles, was er zu berühren gedenkt, sich zu Gold verwandeln möge. Der Wunsch wurde ihm großzügig gewährt. Und da zeigte es sich bald, dass dieser Wunsch in praxi doch zu gewissen, zuvor nicht bedachten Problemen, genaugenommen sogar existenziellen Problemen, führt. Denn er konnte auf einmal weder Essen noch Trinken, da sich alles, was er berührte, sich wunschgemäß in Gold verwandelte. So ging er notgedrungen noch einmal zu Dionysos um ihn zu bitten, ihn von diesem Fluch zu erlösen. Der Rat Dionysos war, dass sich der König im Fluss Paktolos reinwaschen möge, was auch wirklich der Überlieferung nach funktionierte. Seitdem gilt dieser Fluss nahe der ägäischen Küste als goldreich. Und den Menschen, die diese Geschichte hören, gibt sie die Erkenntnis mit, „Gold (=Geld) kann man nicht essen“. Ergänzend soll aber trotzdem zumindest Erwähnung finden, dass Gold durchaus beim Essen behilflich sein kein, und zwar als Goldkrone im Gebiss… 

Programmieren mit Delphi

Während es die Orakelstätte Delphi seit rund 2800 Jahren gibt, gibt es die Programmiersprache „Delphi“ erst seit 1995. Es handelt sich dabei um ein objektorientiertes Pascal-Derivat (die prozedurale Programmiersprache „Pascal“ – benannt nach dem Mathematiker Blaise Pascal - wurde 1971 von Niklaus Wirth an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich entwickelt) mit einer besonders starken Datenbankanbindung, damals noch in Form der BDE (Borland Database Engine).
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