Mittwoch, 15. Oktober 2014

Wanderung nach Klein Bocken im Böhmischen Mittelgebirge

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz

Befährt man die Landstraße 263 von Böhmisch Kamnitz nach Sandau, durchquert man eine schöne Mittelgebirgslandschaft. Beidseitig der Straße reichen weitläufige Weideflächen bis an die bewaldeten Kuppen auf den landschaftstypischen Höhenzügen. Die Dörfer in den Seitentälern können auf eine lange Geschichte zurückblicken. Deren Ansiedlung geht zurück auf das 13.-14. Jahrhundert. Auf einem langgezogenen Höhenrücken nimmt man eine kleine Kirche wahr. Es ist die Kirche von Klein Bocken (Mala Bukovina). Dieses bauliche Ensemble hat schon lange unser Interesse geweckt, so dass ein Besuch überfällig war. Die Wanderkarten geben jedoch keinen Hinweis auf touristische Pfade in dieser Gegend und auch die sonstige Recherche über diesen Ort war wenig aufschlussreich. Nur ein Beleg fand sich zu Klein Bocken, leider ein Beitrag über die unselig Zeit der Vertreibung (Odsun) der deutschen Bevölkerung in dieser Gegend (wer es lesen möchte), Anlass für ein paar wenige Gedanken zu diesem Thema, welches einem immer begegnet, wenn man in Nordböhmen unterwegs ist. 

Vertreibung ist völkerrechtlich gesehen ein Verbrechen, ganz zu schweigen von Einzeltaten und dem damit verbundenen Leid der Betroffenen. Dieses Leid und die Berichte darüber überlagern zumeist die Frage nach dem Warum bzw. den Ursachen für diese traurigen Ereignisse. Peter Glotz (1939-2005), ein intellektueller Geist und politischer Vordenker, einer, der dieses Elend am eigenen Leib erfahren hat, beschäftigte sich intensiv mit dieser Frage. In seinem beachtenswerten Buch 'Die Vertreibung – Böhmen als Lehrstück' hat er seine Erlebnisse aufgearbeitet, nach Ursachen geforscht und die Lehren daraus als Thesen zusammengefasst. Schlussendlich heißt es darin 

'Loyalitäts- und Zugehörigkeitsgefühle, Selbstwertbewusstsein und Identitätsgefühl gab und gibt es in allen Gesellschaften, sie sind „anthropologische Konstanten“. Aber man sollte es mit der Identität nicht übertreiben. Man sollte auf die Menschen einwirken, mit ein bisschen weniger Identität auszukommen, und ihnen dafür in Aussicht stellen, dass ihre Säuglinge nicht mit dem Gewehrkolben erschlagen oder über eine Brücke ins Wasser geworfen werden.'

Im Kontext des Buches ist das eine deutliche Absage an patriotische Überheblichkeit und nationale Selbstverherrlichung. Dass dieses politische Vermächtnis von Peter Glotz nicht zeitfremd ist, zeigten die Zustände auf dem Balkan in den 90-er Jahren des letzten Jahrhunderts, also in einer Zeit, als solche Umstände in Europa nicht mehr für möglich gehalten wurden. Man kann auch heute nicht sicher sein, dass sich solche Verhältnisse wiederholen. Böhmen ist daher in der Tat ein Lehrstück, welches wir im Kopfe behalten sollten.

In Meistersdorf (Mistrovice) begeben wir uns auf den Weg, der gleich zu Beginn mit Hindernissen verbaut ist. Kräftiges weidendes Fleischrind lässt es uns für angeraten halten, die Koppeln zu umgehen, durch welche der Weg führt. Dort, wo gerade keine Herde zugange ist, schleichen wir uns über die Weide. Glückliche Tiere müssen das sein, die in dieser Umgebung grasen dürfen, denn der Blick in die bergige Ferne macht selig. Gegenüber zeigen sich die westlichen Gipfel des Lausitzer Gebirges und hinter dem Rosenberg die Felsen der Böhmischen Schweiz. 

Herrliche Panoramen begleiten uns bis Klein Bocken. Schon bald ist der Ort mit der Silhouette der Kirche von weitem zu sehen. Mit dieser Kirche hat es eine besondere Bewandnis. Hier war die Pfarrstelle des bekannten Pfarrers Wenzel Hocke (1732-1808), im Volksmund besser bekannt als Hockewanzel, bevor er als Erzdechant nach Oberpolitz (Horni Police) berufen wurde. Die Verehrung, die diesem volkstümlichen Priester bis heute entgegengebracht wird, drückt sich im Erhaltungszustand der Klein Bockener Kirche aus. Auch im Inneren des Gebäudes wird mit zahlreichen Bildnissen und Erinnerungsstücken seiner gedacht. Diese Kirche gehört zu den besten sakralen Bauwerken im ländlichen Bereich, die wir in Nordböhmen kennen. 

Über Groß Bocken (Velka Bukowina) führt uns der Weg zurück nach Meistersdorf. Am Großen Teich (Velký rybník) bei Karlsthal (Karlovka) gibt es noch schöne Plätze für eine letzte Rast.


Auf den Höhen bei Meistersdorf , der Rosenberg (Růžovský vrch)


… Schlossberg Böhmisch Kamnitz (Česká Kamenice) und Kaltenberg (Studenec)


… Freudenberg (Veselka)


In Gersdorf (Kerhartice)




Auf den Höhen zwischen Gersdorf und Klein Bocken






Weithin sichtbar – die Silhoutee von Klein Bocken mit Kirche



Der Zug des Lausitzer Gebirgskammes


Ansichten in Klein Bocken



Klein Bockener Kirche




Landschaft um Groß Bocken



Der Große Teich bei Karlsthal



Freudenberg und Rosenberg


Landschaft bei Meistersdorf, im Hintergrund Kirche von Wolfersdorf (Volfartice)


Kirche von Meistersdorf




2 Kommentare:

  1. Wunderschöne Fotos aus Kleinbocken, dem Geburtsort meiner Mutter (85 J.). DANKE!

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    1. Dobry den.Mam na vas velkou prosbu a to ohledne starych fotek KleinBockenu. Zijeme tu pulka nasi rodiny a radi bychom videly jak to tu vypadalo drive.Moc dekuji za odpoved.jana

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