Dienstag, 22. April 2014

Mal wieder im Rollberg-Hügelland - Tour um Nahlau -

Ein Gastbeitrag von Björn Ehrlich, Zittau-Hörnitz

'Wir können uns heute rühmen, eine Gegend besucht zu haben, welche, wenn wir das Gebiet von Schwabitz, Dewin und Hammer ausnehmen, von Fremden selten besucht wird, auch dem Wanderer wenig Bequemlichkeit bietet. Doch wird es immer besser, seit auch in diesem entlegenen Winkel des Leipaer Bezirkes neue Straßen angelegt worden sind'.

Amand Paudlers diesbezügliche Vision erfüllte sich jedoch nicht, denn etwa 50 Jahre später wurde das Gebiet zum Sperrgebiet erklärt und zunächst als Truppenübungplatz durch die tschechoslowakische Armee genutzt und 1968 durch russische Truppen besetzt. Nach der Wende zog das Militär ab und hinterließ eine weitgehend verwüstete Landschaft. Insgesamt wurden 17 Dörfer dem Erdboden gleich gemacht bzw. ruiniert. So auch Schwabitz, Schwarzwald und Hultschken, die in dem Bereich lagen, der von unserer Wanderung berührt wird.

Dem Landschaftsprofil konnte die militärische Präsenz jedoch nichts anhaben und die Natur hat sich innerhalb des letzten Vierteljahrhunderts wieder zu ihrem Recht verholfen. Die sanften Hügel, die von der Eiszeit geprägten friedlichen Täler, die Sandsteinriffs und das stets vor Augen befindliche Panorama mit den uns so vertrauten vulkanischen Kegelbergen lässt die Wanderung zu einem außerordentlichen Erlebnis werden. Unterwegs ist jedoch ein wenig Improvisation gefragt, denn ein großes abgesperrtes Areal verbaut die ursprünglich vorgesehene Route. Hier wurden in den letzten Jahren Wisente ausgewildert, die hier wieder sesshaft werden sollen. Wer diese imposanten Tiere schon einmal aus der Nähe erlebt hat, wird gern auf Distanz bleiben.

Für Abwechslung ist auf der Tour gesorgt. Abrupt beginnt der Anstieg zum Großen Hirschberg (Velký Jelení vrch), der sich aus einer Kette von Kegeln aus der Sandsteinplatte erhebt. Verlockend ist der Basaltblock am Gipfel, der eine weite Rundsicht verspricht. Mangels informativer Vorbereitung ist uns der Einstieg an der östlichen Flanke des Berges verborgen geblieben, so dass es gute Gründe gibt, den Ort baldigst wieder aufzusuchen.

Vertrauter ist uns die alte Felsenburg Struhanken (Stohanek), ein Stück vom Hirschberg entfernt. Wenn nicht das Plateau des Struhanken, was sonst empfiehlt sich besserer als Rastplatz?

'Der Wanderer, der über die in den Stein gehauenen Stufen zum ausgebreiteten Gipfel emporgestiegen ist, genießt von ihm einen selten schönen Ausblick. … Und ist man schon auf dem Einsiedlerstein (Struhanken), dann darf man gar nicht versäumen, zur dunklen herrlichen Basaltkuppe des großen Hirschberges (514 m) anzusteigen. Thronend über prachtvollem Buchenwalde, ist sie das lohnendste Ziel in dem kuppenreichen Berglande zwischen Jeschken und Roll'.

So empfand Rudolf Kauschka in seinem Werk 'Wandern und Klettern', erschienen 1923. Kauschka führt uns auch gleich weiter zu unserem nächsten Ziel, '… zu jener kleinen Felsenstadt, die man das Amphitheater genannt hat. Fast halbkreisförmig umschließt dieses Felsenrund einen kleinen breiten Waldgraben, der nordwestlich von der interessanten, zum Teil bewaldeten Felsgruppe des Kamels – mit schönem Felsentor – überragt wird. Das Amphitheater (Divadlo) ist eines der vielen Naturdenkmäler, mit der die vielfältige nordböhmische Landschaft ihre Besucher zu überraschen vermag.'

Wir verlassen die Welt der Felsen und schon bald sind wir wieder in der weitläufigen Wiesenlandschaft unterwegs, durch die unser Weg uns zurück nach Nahlau (Náhlov), dem Ausgangsort unserer Wanderung bringt. Man mag ermessen, mit welcher Wehmut die früheren Bewohner ihre hiesige Heimat verlassen haben. Davon betroffen waren aber nicht nur diejenigen, die nach 1945 vertrieben wurden. Bereits im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts verließen viele Menschen aus Not die wirtschaftlich benachteiligte Region. Viele von ihnen gingen nach Übersee, insbesondere nach Brasilien. Vor allem in den südlichen Provinzen Rio Grande do Sul und Santa Catarina fanden sie günstige Existenzbedingungen. Bereits um 1835 siedelten sich dort die Vorfahren des berühmten brasilianischen Präsidenten Kubitschek aus Südböhmen an. In den 20-er Jahren des 19. Jahrhunderts ehelichte die Habsburger Prinzessin Leopoldine den brasilianischen Kaiser Pedro. Vor allem ihren Aktivitäten und Beziehungen zur alten Heimat sind die erweiterten Aussiedlungsströme aus Böhmen zuzuschreiben. Dieses und mehr erfahren wir in dem kleinen Exilanten-Museum in Nahlau. Während man sich die Schautafeln anschaut, kann man einen brasilianischen Kaffee trinken, der wirklich empfehlenswert ist. Auf die angebotene Milch etwa sollte man dabei verzichten. Das Museum ist derzeit noch in einem sehr beklagenswerten Zustand. Ein Verein bemüht sich jedoch um die erforderlichen Mittel, um einen würdigeren Rahmen schaffen.



Kapelle in Nahlau


Jeschken, Roll und Bösige begleiten uns auf der Tour





Friedliche Täler, sanfte Hügel und Kegelberge prägen die Landschaft


Blick zum mächtigen Roll




Frühlingszauber



Der Große Hirschberg


Aufgang zum Struhanken


Rundblick vom Struhanken





Schwarzwälder Tor am Amphitheater


Das Amphitheater (Divadlo)


Vulkanische Einschlüsse im Sandstein



Wiesenlandschaft um das verschwundene Dorf Schwarzwald





Zurück auf Nahlauer Fluren


Das Exilantenmuseum


Auf dem Seeweg erreichten die Auswanderer Brasilien



Bouřlivý rybnik bei Postrum (Postřelná)

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