Montag, 25. November 2013

An einem Tag vor 443 Millionen Jahren…

Der Besuch eines Museums wie z.B. auf dem Schlechteberg bei Ebersbach in der Oberlausitz - der Humboldt-Baude - ist für mich immer inspirierend und lehrreich und sei deshalb an dieser Stelle herzlichst empfohlen. Dabei hat es mich dort dieser "Stein" besonders angetan:


Es zeigt Graptolithen, eine Sorte polypenähnlicher Kiemenlochtiere, die im Erdaltertum in riesigen Mengen die Weltmeere bevölkerten. Aber irgendwann, an einem Tag vor 443 Millionen Jahren, geschah etwas, was diese Tierchen stark dezimierte und an den Rand des Aussterbens brachte...

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Ist Ihnen schon einmal des Nachts ein etwa doppelt vollmondgroßer, intensiv blau leuchtender Fleck am Nachthimmel aufgefallen? Zum Glück wohl noch nicht, denn dann wäre wohl alles zu spät…

Es gibt nämlich Szenarien im Kosmos, da möchte man als Erdenbürger wohl lieber nicht hautnah involviert sein. Das kann ein Meteoriteneinschlag, eine Supernova-Explosion in der unmittelbaren galaktischen Nachbarschaft oder ein sogenannter „Gammablitz“ sein, der zwar nur wenige Sekunden bis Minuten andauert, aber je nach Entfernung zu seiner Quelle Lebewesen direkt oder indirekt (durch eine dadurch verursachte Umweltkatastrophe) den Garaus machen kann. Und man kann sich vor ihnen noch weniger schützen als vor Meteoriteneinschlägen, für die Wissenschaftler und Ingenieure bekanntlich bereits Abwehrstrategien entwickeln.

Das war die schlechte Nachricht. Die „weniger schlechte Nachricht“ ist, daß die Wahrscheinlichkeit für einen uns gefährlich werdenden Gammastrahlungsblitz äußerst gering ist – wäre da nicht der Stern Eta Carinae am Südhimmel. Aber dazu irgendwann einmal mehr...

Hochenergetische Gammastrahlungsblitze können entsprechend ausgerüstete Forschungssatelliten quasi jeden Tag beobachten. Sie sind nicht selten. Unser Glück ist lediglich, daß sie meist weit außerhalb unserer Milchstraße in weit entfernten Galaxien stattfinden und wir deshalb von ihrer zerstörerischen Kraft nichts zu befürchten haben. Aber das muß nicht immer so gewesen sein. Es gibt den berechtigten Verdacht, daß solch ein Gammablitz schon einmal massiv auf die Entwicklung des Lebens auf der Erde Einfluß genommen hat. Die Opfer waren neben den bereits genannten Graptolithen u.a. krebsartige Gliedertiere, die man als Trilobiten oder wegen ihres typischen Körperbaus „Dreilappkrebse“ bezeichnet und die vor 443 Millionen Jahren, d.h. zu Ende des Ordoviziums, in riesiger Artenvielfalt die irdischen Meere besiedelten. Danach, im Silur, nicht mehr.


Heute findet man Trilobiten nur noch als Versteinerungen in entsprechend alten Sedimenten des Paläozoikums. Der Unterschied an der „Besetzungsdichte“ der Meeressedimenten ober- und unterhalb der Stelle, deren Alter man auf 443 Millionen Jahre datiert hat, ist dabei so auffällig („unten“ massenhaft versteinerte Trilobiten, darüber nur noch wenige oder keine mehr), daß man diesen Faunenschnitt – wie auch sonst auch in der Paläontologie üblich – zur Kennzeichnung des Übergangs von einem chronostratigraphischen System (hier Ordovizium) zu einem neuen chronostratigraphischen System (hier Silur) einfach verwenden mußte. 

Globale Faunenschnitte (der Fachausdruck dafür ist „Massenextinktion“) traten auf der Erde in den letzten 2 Milliarden Jahre mindestens 10 mal auf und hatten unterschiedliche Ursachen: Umbau der Atmosphäre der Erde, Klimawandel, Trapp-Vulkanismus, Mega-Ausbrüche von Supervulkanen und Meteoriteneinschläge (z.B. das Chicxulub-Ereignis, dem vor. 66 Millionen Jahren die niedlichen Dinosaurier zum Opfer gefallen sind). Insbesondere 5 davon haben die Entwicklung des Lebens auf der Erde entscheidend geprägt: die am Ende des Ordoviziums (vor 443 Millionen Jahre), am Ende des Devons (vor 360 Millionen Jahre, am Ende des Perm (vor 252 Millionen Jahre), am Ende des Trias (vor 200 Millionen Jahre) sowie am Ende der Kreidezeit vor 66 Millionen Jahren. Dabei waren die meisten Faunenschnitte erdgeschichtlich gesehen nur kurze, singuläre, aber für die Tierwelt jeweils einschneidende Ereignisse. Meist waren sie mit massiven Änderungen in Klima und Umwelt verbunden, an die sich aufgrund der Schnelligkeit dieser Änderungen bestimmte Tiergattungen evolutionär kaum oder nicht anpassen konnten und deshalb ausstarben. Aus diesem Grund wirken Massenextinktionen durchaus selektiv. Der Meteoriteneinschlag vor 66 Millionen Jahre raffte z.B. – grob gesagt – alle höheren Tiere, die größer als eine Ratte waren, dahin. Das betrifft z.B. (fast) alle Dinosaurier. „Fast“ deshalb, weil unsere Vögel wie Haussperling und Haushuhn, evolutionsbiologisch gesehen, direkte Nachfahren der Theropoden (zu denen u.a. die Tyrannosaurier und die Velociraptoren gehören) sind ;-).

Im Einzelnen ist es für die Wissenschaftler äußerst schwierig, die genauen Ursachen von Massenextinktionen zu ermitteln. Aufgrund der Plattentektonik ist die Erdoberfläche in Zeitskalen von ~300 Millionen Jahren (einem sogenannten Wilson-Zyklus) in ständiger Veränderung: Kontinente wachsen, vereinigen sich und trennen sich unter Bildung von neuen Ozeanen wieder. Dabei gehen viele Indizien verloren, was eine Rekonstruktion der Ursachen erschwert. Im Fall des Kreide-Trias-Ereignisses führte erst eine Anomalie in der chemischen Zusammensetzung der Grenzschicht „unten Saurierknochen“ – „oben keine mehr“ in den entsprechenden Sedimenten die Forscher auf die richtige Spur. Sie ist als Iridium-Anomalie bekannt geworden und führte zu der (wahrscheinlich) richtigen Vermutung, daß der Einschlag eines ca. 10 bis 15 km großen Planetoiden in den Golf von Mexiko vor 66 Millionen Jahren der Saurierherrlichkeit ein doch recht abruptes Ende setzte.

Zu Ende des Ordoviziums (es folgte dem Kambrium und erstreckte sich von vor 485 Millionen Jahren bis vor 443 Millionen Jahren und ist nach einem keltischen Volksstamm benannt) gab es noch kein tierisches Leben an Land und an „Saurier“ war noch nicht einmal zu denken. Man vermutet aber, daß zu dieser Zeit die ersten Grünalgen feuchte küstennahe Standorte zu besiedeln begannen. Auch die ersten Moose, die vielleicht den heutigen Lebermoosen geähnelt haben, sowie erste Pilze dürften zu diesem Zeitpunkt bereits das Land erobert haben. Aber eigentlich spielte sich das Leben immer noch ausschließlich in den Meeren und Ozeanen ab. Dort wimmelte es von Kreaturen, die den Meeresboden durchwühlten (Würmer und Muscheln), auf dem Meeresboden lebten (Brachiopoden (Armfüßer), Cephalopoden (Kopffüßer), Seesterne, Schnecken und Trilobiten) und das „freie“ Wasser war mit Graptolithen und Conodonten angefüllt. Insgesamt konnte man in den Gesteinen des oberen Ordoviziums mehr als 400 Familien wirbelloser Tiere, in die sich ca. 1300 Tiergattungen einordnen ließen, nachweisen. Das marine Leben erreichte einen bis dahin noch niemals erreichten Diversifikationsgrad, wobei die Trilobiten, die sogenannten Dreilappkrebse, besonders artenreich in Erscheinung traten. Ganze Sedimentschichten aus jener Zeit, die heute teilweise zu großen Gebirgszügen aufgefaltet sind, sind mit ihren Versteinerungen regelrecht durchsetzt, so daß sie mit zu den am häufigsten gesammelten Fossilien gehören. Diese gar nicht mehr primitiven Gliedertiere, die in der Mitte des Kambriums auf der Erde auftauchten, besaßen spezielle, durchaus leistungsfähige Facettenaugen. Im Gegensatz zu den heutigen Insekten bestanden deren Linsen aus Kalkspat (Calcit). Da sie ja Licht zum Sehen brauchten, lebten sie hauptsächlich in den lichtdurchfluteten oberen Schichten der Randbereiche der Weltmeere. Ihr Name leitet sich von ihrem typischen dreigliedrigen Körperbau ab. Der größte bekannte Trilobit erreichte übrigens eine Länge von immerhin einem Dreiviertel Meter…

Mittlerweile haben die Paläontologen weit über 15000 Trilobitenarten beschrieben, von denen eine große Zahl als Leitfossilien für die Datierung von Sedimentschichten aus dem Erdaltertum Verwendung finden. 

Doch dann war es plötzlich mit ihrer Herrlichkeit und derjenigen vieler ihrer Mitgeschöpfe aus ca. 100 weiteren Tierfamilien vorbei. Irgendeine Umweltkatastrophe muß sie in einer erdgeschichtlich kurzen Zeit hinweggerafft haben. Denn danach – im Silur – gab es bis auf wenige Ausnahmen so gut wie keine Trilobiten mehr. Ihre Artenzahl verringerte sich quasi über Nacht von „Viel“ auf ganz, ganz „Wenige“…

Es gibt verschiedene Vermutungen, wie es zu diesem relativ plötzlichen Massenaussterben gekommen sein könnte. Sie gehen fast alle davon aus, daß ein Meeresspiegelrückgang, verbunden mit einer Klimaänderung zu tieferen Temperaturen hin, den die Schelfgebiete der Kontinente bewohnenden Arten zum Verhängnis wurde. 

Damals, während der letzten Stufe des oberen Ordoviziums (Hirnantium genannt), lag das nördliche Gondwanaland im Bereich des Südpols. Hier fanden mehrere, kurz hintereinander folgende Vereisungszyklen statt, deren Wirkungen man noch heute in der Sahara beobachten kann (hirnantische oder Sahara-Vereisung). Die Eismassen banden so viel Wasser, daß die Kontinentalschelfe trockengelegt wurden mit den genannten fatalen Folgen für die dort lebenden Organismen. Das alles ist unbestritten. Doch was war der Auslöser für diese (relativ kurzen) Vereisungszyklen? Und hier kommt eine weitgehend unorthodoxe Theorie zum Zug und die hat etwas mit einem intensiven „Gammablitz“ zu tun. Es ist also denkbar, daß vor 443 Millionen Jahren bei Ebbe ein Trilobit mit seinen Calzit-Facettenaugen gen Himmel schaute und dort einen ca. zwei vollmondbreiten Lichtflecken wahrnahm, einen Hitzeschlag verspürte und einige Zeit später an den Folgen einer Strahlenkrankheit einging…

Dieser könnte es gewesen sein:


Er ist im Humboldthaus zu besichtigen. Also mal hingehen...


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