Mittwoch, 1. Mai 2013

Fischereigerechtigkeitssteine, Fastenspeisen und die absonderliche Geschichte des Karpfens...

Von Herrn Schorisch, Zittau, von dem die folgenden Fotos stammen, bin ich wieder mal auf die bei uns in der Zittauer Ecke (Oberlausitz) noch vorhandenen zwei Fischereigerechtigkeitssteine hingewiesen worden, die sich heute noch an prominenter Stelle (jedoch nicht an ihren Originalstandorten) besichtigen lassen:


Und hier noch die Karte, wenn Sie sie selbst einmal aufsuchen möchten:


Obwohl beide schon fast 550 Jahre alt sind, kann man ihre Inschrift noch ganz ausgezeichnet entziffern. So steht z.B. auf dem Hartauer Stein:

1565 ADI Z4 IVL.
DER VON ZITTAV HEGEWASSER DER NEISSE, NIEDERWARTS AN BEIDEN VFERN

und auf dem Grottauer

1565 ADI  Z4 IVLY GREFESTEINISCH  DER WEISBACH HEGWASSER  GEGEN DEN
GEBVRG AVFWARTS AN BEIDEN VBERN

Bevor ich näher darauf eingehe, muß ich noch etwas über den KARPFEN erzählen, einen Fisch, den es erst seit dem Mittelalter bei uns in Mitteleuropa gibt. An ihm läßt sich mittelalterliche Wirtschaftsgeschichte mit all ihren Facetten im Detail studieren - was ich aber aus Schreibfaulheit hier nicht tun werde...


Also Karpfen. Wer kennt ihn nicht. Im Eiszeitalter, also zu der Zeit, als von einer globalen Erwärmung noch keine Rede war, starben alle Fische in Mittel- und Nordeuropa, die nicht entweder in das Meer flüchten konnten oder kälteresistent waren. Diese Fischarten starben schlicht und ergreifend aus und was nach dem Zurückweichen des Eises zurückblieb, waren kalte, nährstoffarme, aber sauerstoffreiche rasch fließende Gewässer, in denen sich lediglich Forellen und Lachse tummelten, aber z.B. keine Moderlieschen. Nur im Donaubecken hatten damals einige der wärmeliebenden karpfenartigen Fische überlebt, was sich in der Folgezeit als günstig und vorteilhaft herausstellen sollte.

Gegen Ende des römischen Reiches hatten schon lange Bäume das Land wiederbesiedelt und auch unsere Gegend war Urwald, nichts als Urwald, so wie heute noch als kümmerlicher Rest in Bialowice an der polnisch-weißrussischen Grenze zu besichtigen. Darin lebten die Germanen und südlich von Zittau (daß es damals noch nicht gab), hinter den Bergen, die Markomannen, mit denen sich Mark Aurel von Vienna aus rumschlagen mußte. Sein Sohn Commodus - aber das ist eine andere Geschichte...

Die Flüsse waren voll von Lachs, Äschen, Forellen etc. pp. Aber nirgends gab es einen Karpfen. Das sollte sich insbesondere im 12. und 13. Jahrhundert ändern, als sich steuerbefreite Locatoren mit ihren Mannen, Pferden und Äxten an Bachläufen entlang Lichtungen in den Urwald schlugen um dann langgestreckte Waldhufendörfer zu begründen, die sie dann nach sich selbst benannten, wie z.B. Waltersdorf = Walterivilla  nach einem Locator mit Namen "Walter" unter der Lausche, auf der es vor Hundert Jahren noch eine Gastwirtschaft und einen kleinen Aussichtsturm gab. Auch damals mußten sich die Leute irgendwie ernähren, weshalb sie auf dem neu gewonnenen, gerodeten Land Getreide (keinen Energiemais, sondern ganz klassisch, Roggen, Weizen und Hafer) anbauten. Und dieses Getreide mußte zu Mehl gemalen werden, wozu die Technologie der Wassermühle (wurden in Mesopotanien erfunden) und etwas später, als der Wald den Wind nicht mehr behinderte, die Windmühle (selbst der große Gesetzgeber Hammurapi kannte sie schon, soviel zu neuester Technologie), benutzt wurde. Letztere soll jetzt sogar die sogenannte Energiewende bringen. Der Mehlmüller, der die Menschen ernährt, wird heute zum "Windmüller", der Subventionen kassiert. Wenn man z.B. vom Hochstein in den Königshainer Bergen aus bei trüber Sicht vom Aussichtsturm in die Gegend schaut, kann man allein 85 von ihnen erspähen. Wie viel es bei guter Fernsicht sein werden, kann ich noch nicht sagen. Ich glaube im gesamten Mittelalter gab es in ganz Sachsen nicht so viele Windkraftanlagen...

Also zurück zur Wassermühle. Wie der Name schon sagt, braucht sie Wasser zum Antrieb, das von einem aufgestauten Mühlenteich stammt. Die dafür notwendigen Dämme verhinderten immer mehr, daß z.B. die Lachse, welche jedes Jahr die großen Flüsse hinauf zogen, zu ihren angestammten Laichplätzen gelangten. Und es kam, wie es kommen mußte. Der Fisch wurde knapp. Und das war tragisch, denn die Bewohner Mitteleuropas waren Dank Karl Martell (ein wahrhaft großer Europäer) Christen geblieben und die durften an gewissen Tagen kein Fleisch essen und zwar nicht nur zur Fastenzeit, sondern auch Mittwochs und Freitags nicht. Aber Fisch war erlaubt, hatten die der Völlerei nicht abgeneigten Mönche und Klerus vorsorglich festgelegt. Wie bekannt, gab es im Hochmittelalter so etwas wie eine Bevölkerungsexplosion mit der Folge, daß es mehr Köpfe gab, die alle statt Mehlpampe mit Gemüse auch mal Fisch essen wollten. Das bedeutet, daß die Nachfrage nach Frischfisch stieg, aber die Hochseefischerei nur maximal 150 km landeinwärts die großen Flüsse hinauf liefern konnte. Die Folge war, Fisch wurde für den kleinen Mann unerschwinglich, weil die Grundherrschaft auf einmal das Angeln in den noch fischreichen Bächen und Flüssen einschränkte oder die Fischereirechte gegen Bares verpachtete. Um Ihre Rechte zu waren, wurden dazu Fischereigerechtigkeitssteine aufgestellt, die kennzeichneten, von wo bis wo die Rechte der Inhaber der Fischgründe verliefen. Fischfrevel wurde zwar damals nicht so hart bestraft wie z.B. Wilderei oder "Wegeplackerei", aber man sollte sich trotzdem nicht erwischen lassen... Aber Gott sei Dank hatte im Unterlauf der Donau der Karpfen die eisigen Zeiten überlebt. Als Speisefisch war er ideal. Zum einen, er läßt sich relativ leicht lebend transportieren. Wenn man Karpfen feucht in Tüchern einwickelt, kann er so gut und gerne einen Tag überleben. Das heißt, ich pack mir fünf Karpfen in den Rucksack, laufe die nächsten 20 Kilometer bis zum nächsten Mühlenteich und schwapp, schmeiß sie dort rein. Das Wasser steht, ist warm und nährstoffreich und die Karpfen vermehren sich darin wie die Karnickel. Auf diese Weise gelangt der Karpfen im 11. und 12. Jahrhundert nach Norddeutschland, nach Nordfrankreich und schließlich auch nach England. Parallel dazu wurde in den Klöstern die Technik der Karpfenzucht entwickelt und immer mehr verfeinert. "Karpfen" sind nicht eine Angelegenheit derart, daß man sie einfach in einen Teich reinschmeißt und alles ist in Butter. Denn man braucht erst einmal einen Laichteich, in dem sich die kleinen Fischlein ein Jahr lang rumtummeln können. Dann einen Mastteich für das nächste Jahr, wo sie sich fett fressen und zum Schluß, für das dritte Jahr, einen dritten Teich, wo sie ihr Schlachtgewicht erreichen und wo sie dann rausgefischt werden. Kurz gesagt, Karpfenzucht ist eine anspruchsvolle Tätigkeit, die Experten erfordert. Karl IV hatte z.B. solche Experten, welche die heute noch bestehenden Fischteiche zwischen Neugarten und Hirschberg anlegten. Erst seit dem 16. Jahrhundert sind einige Namen der damals international tätigen Teichmeister überliefert, deren Dienste hochangesehen und deren Bezahlung sehr üppig waren. Einer von ihnen war Štěpan Netolický, der es 1505 bis zum obersten Fischmeister der Herren von Rosenberg gebracht hat. Er war nicht nur für die Herrn von Rosenberg tätig, sondern auch für den Erzbischof von Salzburg und den Grafen von Salms. Nachfahren der Letzteren haben bei Hainspach in Nordböhmen als Strafarbeit wegen eines Bauernaufstandes einen Karpfenteich anlegen lassen und an dessen Ufer ein herrliches Schloß erbaut, welches man wegen Einsturzgefahr nach Auslaufen der Nutzung durch die tschechische Armee noch heute von außen besichtigen kann.

Das zum Karpfen. Nun zu den Steinen auf den Fotos. Fischereigerechtigkeitssteine hatten im Mittelalter und der beginnenden Neuzeit die Funktion, herrschaftliche Grenzen an fließenden Fischgewässern zu kennzeichnen, innerhalb der bestimmte Nutzungsrechte vom Grundherrn ausgeübt oder an Dritte verpachtet wurden. Insbesondere Städte (wie hier Zittau im Fall des Hartauer Grenzsteins) haben auf diese Weise ihre Ansprüche kundgetan. Das bedeutet nicht, daß der normale Mensch hier keine Fische zum Eigenverbrauch fangen dürfte. Er mußte jedoch Regeln einhalten, z.B. Schonzeiten beachten und Mengen- und Größenbegrenzungen einhalten. War er kommerziell tätig, hatte er an den Eigner (Grundherrn) Pacht abzuführen. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren an der Neiße 3 derartige Steine auf Zittauer Seite bekannt, von denen aber zwei mittlerweile verschollen sind. Nur der Hartauer, der lange Zeit auf einem Feld stand, ist erhalten geblieben. Der Grottauer bezieht sich nicht auf die Neiße, sondern auf den Weißbach, der in die Neiße mündet. Auf Letzteren findet man einen Hinweis auf die Grundherrschaft Grafenstein, die auf dem gleichnamigen Schloß (Burg) in Grottau ansässig war. Über dessen wechselvolle Geschichte werde ich irgendwann einmal, wenn mir danach ist, auf diesem Blog in aller Ausführlichkeit berichten. Hier nur so viel. 1562 kaufte der kaiserliche Rat in Prag Georg Mehl von Strehlitz das Schloß und den damit einhergehenden Grundbesitz von den Burggrafen von Dohna, zu dem auch der damals fischreiche Weißbach im Weißbachtal gehörte. Dr. Mehl von Strehlitz war als böhmischer Vizekanzler maßgeblich an der Durchsetzung der Strafmaßnahmen gegen die Sechsstädte bezüglich des Pönfalls beteiligt, was ihn in hiesiger Gegend kaum Freunde gemacht haben durfte. Insbesondere die Stadt Lauban, mit der er sich persönlich anlegte und von der er umfangreiche Länderreien erpreßte, war lange nicht gut auf ihn zu sprechen. Das Geld nutzte er jedoch, um aus der alten gotischen Burg Grafenstein ein für damalige Verhältnisse modernes Renaissanceschloß zu machen in der Form, wie es sich uns noch heute darbietet. Um noch etwas von der uralten Burg zu sehen, muß man heute in deren Keller steigen. Die Eintrittskarten gibt es dafür (und für die Barbarakapelle) an der Schloßkasse...

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