Samstag, 9. Februar 2013

Das Pulsar-Planetensystem PSR B1257+12

Quelle: NASA

Schon allein die Entdeckung des Millisekunden-Pulsars PSR B1257+12 im Jahre 1990 mit dem Arecibo – Radioteleskop war ein großer Erfolg an sich, da damals noch nicht sehr viele dieser extrem schnell rotierenden Neutronensterne (der schnellste unter ihnen, PSR J1748-2446, dreht sich pro Sekunde 716 mal um seine Achse) bekannt waren. Dieser Erfolg ist –wie der Entdecker, der polnische Astronom Aleksander Wolszczan, berichtet – dem Umstand zu verdanken, daß damals das Radioteleskop mehr als einen Monat wegen Wartungsarbeiten nur partiell nutzbar war (quasi als Durchgangsinstrument). Aus diesem Grund konnte die „Stammannschaft“, ohne daß sie, wie üblich, Beobachtungszeit an externe Forschungsgruppen abgeben mußte, längere Zeit ohne Unterbrechung nach neuen und alten Pulsaren Ausschau halten. 

Dieser neue Millisekundenpulsar wurde natürlich weiter beobachtet, was schließlich aufgrund der dabei gefundenen auffälligen Periodenvariationen in dessen Pulsfolge zu der aufsehenerregenden Entdeckung von zuerst zwei (c, d, 1992) und später noch eines weiteren „Pulsarplaneten“ führte (b, 1994). Die Daten dazu finden Sie in folgender Tabelle:


Schaut man sich diese Zahlen etwas genauer an, dann erkennt man, daß es sich um ein recht kompaktes Planetensystem mit einer Ausdehnung, die auf unser Sonnensystem projiziert, kaum über die Merkurbahn hinausgeht, handelt. Und auch die relativen Abstände entsprechen in etwa denen der drei inneren Planeten unseres Sonnensystems. Weiterhin ist auffällig, daß sich die Umlaufszeiten der Planeten c und d offensichtlich ziemlich genau in einem 3:2 – Resonanzverhältnis befinden. 

Und schließlich gibt es noch Hinweise auf einen vierten, aber sehr kleinen Himmelskörper, dessen Masse auf ungefähr 1/5 der Plutomasse geschätzt wird. Manche Astronomen halten ihn eher für einen Kometen, andere eher für einen Zwergplaneten, der sich in einer Entfernung von ~2.6 AU einmal in 1250 Tagen um den Millisekundenpulsar bewegt. Seine (mutmaßliche) Existenz hat zu vielerlei Überlegungen Anlaß gegeben. Sollte er z.B. überwiegend aus Wassereis bestehen, dann stellt sich die Frage, wie lange solch ein Himmelskörper (der ja permanent einer intensiven, aus der Umgebung des Pulsars stammenden hochenergetischen Partikelstrahlung ausgesetzt ist) wohl überleben kann. Denn diese Partikelstrahlung wirkt ähnlich wie ein Sandstrahlgebläse auf die Oberfläche dieses Himmelskörpers und trägt dort quasi durch sputtering Schicht für Schicht Oberflächenmaterial ab. Das dabei abgetragene Material bildet dann so etwas wie einen permanenten riesigen „Kometenschweif“. Und solch ein Schweif ist prinzipiell beobachtbar unter der Voraussetzung, daß der Pulsar und der „Kometenschweif“ in Bezug auf den Beobachter so ausgerichtet sind, daß der Radioimpuls auf seinen Weg zur Erde den Schweif durchqueren muß. Da die Lichtgeschwindigkeit in einem „Medium“ bekanntlich geringer ist als im Vakuum, führt dieser Durchgang zu einer Laufzeitverlängerung, die sich bei der Periodenkonstanz des Millisekundenpulsars durchaus messen läßt. Ein entsprechend vermuteter Effekt bei PSR B1257+12 konnte jedoch im nachhinein nicht bestätigt werden, weshalb das Objekt „e“ auch nicht als „Exo- Zwergplanet“ anerkannt ist. 

Pulsare als „Muttersterne“ von Planeten hatte man vor der Entdeckung von A. Wolszczan und D. Frail kaum für möglich gehalten, wenn man ihre Entstehungsgeschichte rekapituliert. Pulsare (oder besser Neutronensterne) sind bekanntlich das stabile Endstadium massereicher Sterne (Ausgangsmasse ab ca. 8 M bis maximal 40 M, abhängig von der Metallizität des Sterns), wobei letztendlich nur die Masse des ausgebrannten Kerns ausschlaggebend ist, ob dessen Kollaps zu einem Neutronenstern (Kernmasse zwischen der Chandrasekhar-Grenzmasse von 1.4 M und der Oppenheimer-Volkoff-Grenzmasse von ~3 M) oder zu einem Schwarzen Loch führt. Auf jeden Fall führt der Kernkollaps zu einer Mega-Explosion, da dabei ein riesiger Betrag an gravitativer Bindungsenergie frei wird. Er entspricht bei einer Kernmasse von ~2 M ungefähr der Ruheenergie E=mc² einer Masse von 1 M, d.h. ~10^47 J. Und diese plötzliche Energiefreisetzung macht das eigentliche Phänomen einer Supernovaexplosion aus. Die äußere Hülle des Sterns wird abgesprengt und ist noch einige Zeit (Größenordnung 10^4-10^5 Jahre) als expandierender „Supernovaüberrest“ zu beobachten, bevor sie vollständig in der interstellaren Materie aufgeht. Übrig bleibt ein schnell rotierender Neutronenstern mit einer Masse von 1.25 bis 1.4 M und einem typischen Durchmesser von 20 bis 30 km, der nur durch den nichtthermischen Entartungsdruck der Neutronenflüssigkeit, aus dem er besteht, stabil gehalten wird. Da beim Kernkollaps neben dem Drehimpuls auch der magnetische Fluß erhalten bleibt, muß sich zwangsläufig auch ein starkes Dipolfeld herausbilden. Dabei ist die Symmetrieachse dieses Dipolfeldes oftmals einen gewissen Betrag gegenüber der Rotationsachse geneigt, was immer dann den Neutronenstern zu einem „Pulsar“ macht, wenn diese „Achse“ bei jeder Rotation des Neutronensterns einmal kurzzeitig in Richtung Erde zeigt. Da die in dem magnetischen Dipolfeld beschleunigten geladenen Teilchen bevorzugt Synchrotronstrahlung in Richtung der Dipolfeldachse emittieren, entsteht auf diese Weise gewissermaßen ein „Leuchtturmeffekt“, der sich für einen Beobachter auf der Erde in der typischen, mit der Rotationsperiode des Neutronensterns synchronisierten Pulsfolge äußert. Diese Pulsfolge ist langzeitstabil, weshalb man sie ja auch als eine intrinsische Uhr des Pulsars verwenden kann.

Die große Frage, die nun das Planetensystem um den Millisekundenpulsar PSR B1257+12 bereits zum Zeitpunkt von dessen Entdeckung aufwarf, war die Frage, wie es möglich sein kann, daß ein schon vorher vorhandenes Planetensystem solch ein kataklysmisches Ereignis, wie es eine Supernova-Explosion einmal darstellt, überhaupt überstehen kann. Das scheint nämlich – was „normale“ Planeten betrifft – völlig unmöglich zu sein. Denkbar ist gerade noch, daß u.U. ein zum Zeitpunkt des Ausbruchs vorhandener stellarer Begleiter dann den Ausbruch überlebt, wenn er kompakt genug ist, um durch den Teilchenstrom und die eintreffenden Schockwellen nicht völlig korrodiert zu werden. Das kann z.B. auf Weiße Zwerge zutreffen. 

Was den Ursprung von „Pulsarplaneten“ betrifft, so werden z.Z. verschiedene Szenarien diskutiert, wobei die meisten davon ausgehen, daß etwaige Planeten, die vor der Supernovaexplosion vorhanden waren, diese Explosion nicht überlebt haben. Dann bleiben im Wesentlichen zwei Möglichkeiten übrig, die man als „Einfang-Szenario“ und als „second generation formation“ – Szenario bezeichnen kann. 

Planeteneinfang
Es existiert eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür (insbesondere in Bereichen hoher Sterndichte wie beispielsweise in den Zentralbereichen von Kugelsternhaufen oder im Bulge-Bereich der Milchstraße), daß es bei einem nahen Vorübergang eines Hauptreihensterns mit eigenen Planetensystem an einem Neutronenstern zu massiven Störungen mit dem Ergebnis kommen kann, daß ein oder mehrere Planeten zum Neutronenstern überwechseln. Theoretisch ist auch der Einfang von „free floaters“ denkbar, aber eher unwahrscheinlich. Die Bedingungen, unter denen ein solches Szenario funktioniert, werden mit Hilfe der numerischen Himmelsmechanik erforscht.

Ein „Einfang – Entwicklungsszenario“, welches in erster Linie zur Erklärung der Existenz des Exoplaneten im Doppelsystem „Weißer Zwerg + Millisekundenpulsar“ PSR B1620-26 im Zentralbereich des Kugelsternhaufens M 4 entwickelt wurde, sieht in Kurzfassung folgendermaßen aus: 

  • Vor ca. 12.7 Milliarden Jahren entstand im Außenbereich des Kugelsternhaufens zusammen mit einem sonnenähnlichen Stern ein jupiterartiger Gasplanet mit einer Masse von ca. 2.5 MJ.
  • Dieser Stern migrierte im Laufe der Zeit in den Zentralbereich von M 4, wo es zu einer nahen Begegnung mit einem binären Neutronenstern gekommen ist. Dabei wurde der Hauptreihenstern mit Planet eingefangen und einer der beiden Neutronensterne aus dem System heraus katapultiert.
  • Der Hauptreihenstern entwickelt sich zu einem Roten Riesen, wobei kontinuierlich Materie auf den Neutronenstern übergeflossen ist, was dessen Rotationsfrequenz immer weiter erhöhte. Der Neutronenstern wird zu einem Millisekunden-Pulsar (PSR B1620-26). 
  • Nach Entfernung der wasserstoffreichen Hülle bleibt vom Roten Riesen nur noch sein entarteter Kern in Form eines heliumreichen weißen Zwerges übrig, der nun mit dem Millisekundenpulsar ein Doppelsternsystem bildet. 
  • Der Gasplanet selbst blieb von dieser Ereignisfolge im Wesentlichen unbeeinflußt und umkreist weiterhin in relativ großer Entfernung (hier ~23 AU) den zentralen Doppelstern. 
Sollte sich dieses Szenario bestätigen, dann bedeutet das vom kosmogonischen Standpunkt aus, daß die Planetenbildung bereits recht früh (in diesem Fall vor mehr als 12 Ga) in der Geschichte des Universums eingesetzt hat. Und gerade dieser Umstand bereitet Kopfzerbrechen, denn nach dem gültigen Paradigma der Planetenentstehung ist in metallarmen protoplanetaren Scheiben, wie sie damals aufgrund der noch fehlenden Anreicherung der interstellaren Materie mit schweren Elementen nur möglich waren, kaum Planetenbildung zu erwarten. Vielleicht kommt man doch nicht umhin, für diese frühe Zeit noch einen anderen, heute noch unbekannten Mechanismus der Bildung von Planeten zu postulieren…

Planetenentstehung in 2. Generation
Wenn ein Supernovaausbruch dazu führt, daß ein Teil des dabei in den kosmischen Raum geschleuderten Materials zum übriggebliebenen Neutronenstern zurückfällt, dann ist es denkbar, daß sich um ihn eine Gas- und Staubscheibe wie um einen jungen Protostern bildet. Entsprechende Modellrechnungen (z.B. T. Currie, B. Hansen 2007) sowie der Nachweis einer zirkumstellaren Scheibe von ca. 10 MErde  um den jungen Röntgen-Pulsar 4U 0142+61 mit Hilfe des Spitzer-Weltraumteleskops (Z. Wang et al. 2006) lassen die Idee, daß sich in solch einer fallback disk zumindest Gesteinsplaneten bilden können, gar nicht mehr abwegig erscheinen. Für die Bildung von Gasplaneten ist jedoch nach den Modellrechnungen die Existenzdauer einer solchen Scheibe, die maximal einige 10^5 Jahre betragen kann, einfach zu kurz. Andererseits wäre ein solches Planetenentstehungsszenario „in 2. Generation“ eine sehr elegante Erklärung für das Planetensystem um PSR B1257+12. Natürlich müssen dabei die speziellen Randbedingungen bedacht werden, die einmal die stoffliche Zusammensetzung der Trümmerscheibe betreffen (gerade hier sind massive Unterschiede im Vergleich zur Zusammensetzung von protoplanetaren Scheiben um junge Protosterne zu erwarten) und zum anderen das ungewöhnliche physikalische Umfeld um den Pulsar. 

www.wincontact32.de

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