Sonntag, 8. April 2012

Planet Mars (40) - Magnetosphäre

Magnetosphäre

Eine genauere Analyse des Marsmagnetfeldes wurde ab 1997 durch die Magnetometermessungen der amerikanischen Marssonde Mars-Global-Surveyor (MGS) möglich. Vorangegangene Missionen (beginnend mit Mariner 4) hatten bereits erste Hinweise auf die Existenz eines sehr schwachen Magnet­feldes ergeben, dessen Stärke 0.5 nT im Wesentlichen nicht übersteigt. Mars 2 und Mars 3 (UdSSR) fanden darüber hinaus Hinweise auf eine Stoßregion, da ihre Meßgeräte beim Einflug zum Mars eine deutliche Erhöhung der lokalen Elektronendichte und Elektronentemperatur erfaßten. Der subsolare Punkt der Stoßfront befand sich dabei ca. 1.5 Marsradien (3394 km) vom Planeten entfernt. Auch hier entsteht die Stoßfront genauso wie bei der Venus durch eine direkte Wechselwirkung mit der Ionosphäre, denn das Eigenfeld von Mars ist viel zu gering, um bei der Ausbildung einer Magnetosphäre eine größere Rolle zu spielen (schwache induzierte Magnetosphäre mit unterscheidbarer Magnetopause und Plasmaschicht). 

Während in der Erdatmosphäre der Übergang zwischen der neutralen Atmosphäre zur Ionosphäre sehr scharf ausgeprägt ist, ist das beim Mars nicht der Fall. Eher pragmatisch als durch scharfe Grenzen festgelegt bezeichnet man hier den Bereich zwischen 100 und 500 km Höhe als Ionosphäre. Die Ionisierung der darin enthaltenen Atome geschieht einmal durch die elektro­magnetische Strahlung der Sonne (Photoionisation) und zum anderen durch die Teilchen des Sonnenwindes selbst, der aufgrund des fehlenden globalen Magnetfeldes bis in eine Tiefe, die ~270 km über der Oberfläche liegt, eindringen kann. Der Bereich zwischen 650 und 1200 km Höhe, also die Schicht, die genau unterhalb der induzierten Magnetosphärengrenze liegt, enthält fast nur Protonen (d.h. Wasserstoff-Ionen) und ionisierten Sauer-stoff. In den oberen Bereichen der Ionosphäre ist dagegen die Dichte freier Elektronen, die bei photoelektrischen Prozessen (solare UV-Strahlung) freigesetzt werden, besonders groß. Wesentlich ist, daß die induzierte Magnetosphäre nicht in der Lage ist, die Marsatmosphäre von dem geladenen Teilchenstrom des Sonnenwinds effektiv abzuschirmen. Das Sonnenwindplasma kann dagegen sehr leicht in den Raumbereich unterhalb der induzierten Magnetosphärengrenze eindringen und dort mit den darin enthaltenen Ionen in Wechselwirkung treten.


Mars besitzt kein inhärentes, Dynamo-induziertes Magnetfeld. Lediglich Regionen mit remanenter Magnetisierung bilden lokale Magnetfelder aus, die in der Lage sind, den einfließenden Sonnenwind über deren normale hydrodynamische Ablenkung hinaus zu stören. Da auf diese Weise die Hochatmosphäre des Mars direkt mit dem Sonnenwindplasma wechselwirkt, kommt es zu einer kontinuierlichen Erosion dieser Schichten. Quelle NASA

Konkret bedeutet das, daß der Sonnenwind in der Lage ist, diese Ionen aufzunehmen (Ionen pick up) und mit der Sonnenwindströmung mitzureißen. Daß das wirklich so ist, hat zum ersten Mal 1989 die russische Marssonde Phobos beim Durchfliegen der Nachtseite des Planeten nachgewiesen. Eine Hochrechnung der Ergebnisse zeigt, daß die heute sehr dünne Kohlendioxidatmosphäre des Mars in der Vergangenheit überaus mächtiger gewesen sein muß und vielleicht sogar in großen Mengen Wasserdampf enthalten hat (was das gemessene Deuterium-Wasserstoff-Verhältnis auch nahelegt). Auf das Vorhandensein von flüssigem Wasser in der Vergangenheit des heute staubtrockenen Planeten weisen ja deutlich entsprechende morphologische Strukturen auf der Planetenoberfläche hin. Die gegenwärtige Ionenverlustrate, die aus den Daten von Phobos errechnet wurden, liegt in der Größenordnung von rund 100 g/s für Sauerstoffionen. Auch der geringe Stickstoffanteil der Marsatmosphäre hat wahrscheinlich seine Ursache in den durch den Sonnenwind verursachten Erosionsprozessen. 

Genauere Ergebnisse konnten ab 2004 mit dem Ion Mass Analyzer (IMA) des ASPERA-3 – Detektors (Analyzer of Space Plasma and Energetic Atoms) der Sonde Mars-Express gewonnen werden. Das Resultat von Phobos, daß Sonnenwind-Ionen (H+, He+ He++) tief in die Ionosphäre des Mars eindringen können (d.h. bis in eine Höhe von ca. 270 km), wurde damit eindrucksvoll bestätigt. Das bedeutet, daß die induzierten Magnetosphären­grenze für einen Teil des Sonnenwinds durchlässig ist mit der fatalen Folge, daß planetare Ionen bei der Wechselwirkung mit dem Sonnenwind auf 400 bis 500 km/s beschleunigt werden und damit das Schwerefeld des Planeten in den freien Weltraum verlassen. Es entsteht damit ein kontinuierlicher Massestrom, welcher über die Nachtseite des Planeten in den freien interplanetaren Raum abfließt. Die Marsatmosphäre verlor auf diese Weise über Jahrmilliarden hinweg dramatisch an Substanz, was ihre heutige geringe Dichte erklärt und darüber hinaus Rückschlüsse auf ihre Vergangenheit zuläßt. 

Begonnen hat die Erosion der Marsatmosphäre wahrscheinlich im späten Noachian, als der davor noch vorhandene geody­namische Dynamo seinen Betrieb einstellte und das Eigen­magnetfeld des Planeten zusammenbrach. Modellrechnungen, die auf dem ersten Mars-Express Kongreß 2005 vorgestellt wurden, gehen davon aus, daß in der Frühzeit des Mars ein mildes Klima, eine wasserreiche Oberfläche und eine dichte Atmosphäre bestanden hat. In dem seitdem vergangenen ca. 3.5 Milliarden Jahren ist diese ehemals dichte Atmosphäre jedoch weitgehend verlorengegangen. Die in die Ionosphäre gelangten Wassermoleküle wurden z.B. photochemisch dissoziiert. Der leichte Wasserstoff diffundierte in den Weltraum und die schwereren Sauerstoffionen konnten aufgrund ihrer Wechselwirkung mit dem ungebremsten Sonnenwind den Planeten verlassen. Abschätzungen ergaben, daß seit dieser Zeit eine Wassermenge, die ungefähr einem planetenumfassenden Meer mit einer Tiefe von 10 bis 20 m entsprochen hat, in den Weltraum entwichen ist. Da aber um die vielfältigen, von flüssigen Wasser hervorgerufenen morphologischen Strukturen der Marsoberfläche zu erklären, eine Wassermenge, die einer globalen Schicht mit einer Tiefe von ungefähr 150 m entspricht, erforderlich ist, kann man davon ausgehen, daß sich der größte Teil davon immer noch im gefrorenen Zustand auf dem Planeten befindet. 
Oberflächenmagnetisierung

Als besonders aufregend erwies sich die magnetische Kartierung der Marsoberfläche mit dem MAG/ER-Experiment des Mars Global Surveyor. Die Magnetisierung der Oberflächengesteine ist offensichtlich nicht gleichmäßig über den Planeten verteilt. Es existieren vielmehr Magnetfeldanomalien, die besonders im Bereich südlich der großen Vulkanprovinzen (Terra Cimmeria) eine gewisse Ähnlichkeit mit den magnetic stripes der irdischen Ozeanbecken zeigen. Die Tharsis- und Elysium-Region sind dagegen frei von derartigen Anomalien. Sie müssen also älter sein. Unter den Geologen herrscht mittlerweile Einigkeit darüber, daß man es hier mit den Relikten einer Art von Plattentektonik zu tun hat, die vor mehr als 4 Milliarden Jahren die Marskruste formte. Während dieser Zeit muß der Mars noch einen inneren Dynamo besessen haben, der um den Planeten ein Dipolfeld aufgebaut hat und das mehrmals seine Richtung (Polarität) gewechselt haben muß.


Globale Magnetfeldkarte des Mars nach Messungen mit dem MAG/ER (Magnetometer and Electron Reflectometer). Blaue und rote Farbtöne geben jeweils eine unterschiedliche Polarität an (Legende). Die Streifen unterschiedlicher Magnetisierung werden analog zur Erde als Folge einer bis in das Noachien hineinreichenden frühen Plattentektonik gewertet. Quelle NASA 

Man kann sogar relativ genau angeben, wann der Geodynamo des Mars seine Tätigkeit eingestellt hat. Die Magnetfeldkarte zeigt deutlich, daß die großen Einschlagbecken wie z.B. Hellas, Chryse und Argyre sowie eine Anzahl großer Einschlagkrater, deren Entstehungszeit in das späte Noachian datiert wird, frei von Magnetfeldanomalien sind. Eine genaue Analyse dieser Beobachtung (J.H.Roberts et.al. 2009) kam zu dem Ergebnis, daß das vom Mars-Dynamo erzeugte Dipolfeld ungefähr zur Mitte des Noachians, und zwar ziemlich abrupt (d.h. innerhalb von gerade einmal 100 Millionen Jahren), zusammengebrochen ist. Da weiterhin diese Impaktbecken bzw. Krater noch relativ gut erhalten sind, kann man davon ausgehen, daß die plattentektonischen Prozesse auf dem Mars noch vor deren Entstehung aufgehört haben.


Geographische Verteilung der stärksten Magnetfeldanomalien auf der Marsoberfläche. Sie kennzeichnen zugleich auch die nach Kraterzäh­lungen ältesten Krustenbereiche. Quelle NASA 

Eine weitere interessante Entdeckung war der Nachweis von Polarlichtern mit Hilfe des SPICAM-Instruments (Spectroscopy for the Investigation and the Characteristics of the Atmosphere on Mars) der Sonde Mars Express. Zuvor waren Auroras nur von der Erde und von den Riesenplaneten Jupiter und Saturn bekannt. Beim Mars bilden die „Polarlichter“ jedoch keinen Kranz um die Pole (was das Vorhandensein eines magnetischen Dipolfeldes voraussetzen würde), sondern sind auf Oberflächengebiete mit lokalen Magnetanomalien beschränkt. Die von dort ausgehenden Felder fokussieren den Elektronenfluß in der darüber liegenden Marsatmosphäre (220 bis 250 km Höhe), wobei die in diesen Magnetfeldern beschleunigten Elektronen in Wechselwirkung mit in tieferen Regionen vorhandenen Sauerstoffatomen und Kohlendioxid-Molekülen treten und dabei Leuchterscheinungen im UV-Bereich auslösen.

Nächstes Mal: Es gibt kein "Nächstes Mal". Hier ist Schluß mit Mars...

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