Samstag, 7. Januar 2012

Das neue und alte Zittauer Rathaus

Aufnahme: Gerald Hamann, voriges Jahr, als im Januar in Zittau Schnee lag...


Das zentrale Gebäude von Zittau ist das Rathaus. Es handelt sich dabei um einen "neueren" Bau, denn das alte Rathaus (genauer gesagt, es gab davor noch zwei, aber darüber später mehr), welches viele Jahrhunderte bestand, wurde im Juli 1757 - dem Schwarzen Tag von Zittau - zusammen mit vielen anderen Gebäuden zerstört. Die Grundsteinlegung für das "neue Rathaus" erfolgte im Jahre 1840 und fünf Jahre später konnte es seiner Bestimmung übergeben werden. Der Kenner erkennt sofort am Baustil, daß es sich bei diesem Gebäude um einen Neorenaissancebau mit neoklassizistischen Einfluß aus der Schule des Berliner Architekten Karl Friedrich Schinkel (1781-1841, ähnlich der Baugewerkeschule am Ring gegenüber dem Stadttheater und der heutigen Johanniskirche) handeln muß. Entwurf und Ausführung unterlagen dem Zittauer Baumeister Carl August Schramm (1807-1869), der selbst bei Schinkel studiert hatte. Bevor er das Rathaus in Angriff nahm, oblag ihm der Wiederaufbau der Zittauer Johanniskirche, die auch im Siebenjährigen Krieg fast vollständig zerstört worden war und nur notdürftig gesichert - zuerst als Ruine (bis ungefähr 1800) und dann als "immerwährende" Baustelle - die Stadt ein dreiviertel Jahrhundert "zierte".


Aufgrund statischer Schwierigkeiten wurde die Bauaufsicht dem "Architekturbüro Schinkel" in Berlin (so würden wir heute sagen) übertragen, der damit wiederum seinen Schüler Carl August Schramm einen ersten großen Auftrag verschaffte, an dem er sich bewähren konnte. Interessant ist, daß man bei den Aufräumungsarbeiten eine Anzahl alter Grabsteine gefunden hat, die heute an der Mauer zum alten Gymnasium zu sehen sind. Darunter den Grabstein des weithin berühmten Zittauer Bürgermeisters Nikolaus von Dornspach (1516-1580), von dem auch die Gründung des humanistischen Gymnasiums initiiert wurde.


Die neue Turmglocke der Johanniskirche ertönte jedenfalls am 13. Januar 1839 zum ersten Mal.

Diese Baumaßnahmen waren auch deshalb sehr erfolgreich, da sich Zittau nach den Wirren der Napoleonischen Krieges wieder erholt hatte und man zwischen 1830 und 1848 wirtschaftlich einen starken Aufschwung verzeichnete, der die Stadtkasse mit vielen Talern füllte. Kurz gesagt, Zittau konnte sich wieder exquisite Bauwerke wie die neue Johanniskirche, die Gewerbeschule und das Rathaus, leisten. 

Übrigens wurde nicht das neue Rathaus als Zweckbau für den Zittauer Rat 1845 als Erstes den Bürgern übergeben, sondern mit viel mehr Anteilnahme der Ratsweinkeller mit Fackelzug und anschließendem Gelage...

Zur Zeit Johannes von Guben (einem Zittauer Stadtschreiber) war das Rathaus ein hölzernes Gebäude am Markt unweit der Mandaufurt. 1354 wurde der Holzbau abgerissen und stattdessen ein steinernes "festes Haus" errichtet. Es hatte mehrere größere Räume. So einen Bürgersaal, die Rats- und Gerichtsstube, eine Kanzlei sowie das Ratsarchiv. Auch eine Rüstkammer sowie ein Gefängnis wurde nicht vergessen. 

Die erste größere "Renovierung" erfolgte 1532. Die ehemals kahlen Wände wurden jetzt mit Farbe versehen. Die Ratsstube erhielt eine neue gewölbte Decke, die mit Holz kunstvoll getäfelt war und ein gewisser Hans Sperber übernahm die dessen Bemalung.

1566 wurde außen eine steinerne Wendeltreppe angelegt, über die man in die oberen Etagen gelangte. Auch die bereits vorhandenen Türme wurden erhöht und eines davon mit einer Glocke versehen. Zu jener Zeit war das Dach noch mit korrosionsanfälligen Eisenblech gegenüber den Witterungsunbilden geschützt. 1597 konnte der Rat es sich leisten, diese Blechbedachung durch ein Kupferdach zu ersetzen, was damals die stattliche Summe von immerhin 500 Talern kostete. Aber das war offensichtlich kein Problem, denn Zittau galt ja unter den Sechs Städten schon immer als die "Reiche".

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurden an der östlichen und etwas später an dessen südlicher Seite Gewerbeanbauten errichtet, welche u.a. die "Brot- und Schuhbänke" enthielten. Seit 1567 bestand zwischen dem Rathaus und dem benachbarten Henners'schen Bierhof eine Garküche, die insbesondere zur Versorgung der Menschen, die an den Markttagen in großer Zahl in die Stadt strömten, diente. Später kamen weitere Gewerbebauten hinzu, z.B. für die Seide- und Gewürzkrämer. Das Rathaus erfüllte quasi den Zweck eines städtischen Kaufhauses. 1567 wurden dann auch die sogenannten "Fleischbänke" unter das Rathaus verlegt, und nur der Begriff der "Alten Fleischbänke" erinnert heute noch an ihren ehemaligen Standort.

Der Hauptturm des alten Rathauses enthielt im unteren Teil das Ratsarchiv und darüber das durch eine starke eicherne Tür verschließbare Stadtgefängnis, das man im Volke "Die Gans" nannte. Die spärlich beleuchtete und ausgestattete Zelle hat im Laufe der Zeit auch eine Anzahl sehr angesehener Zittauer Bürger beherbergt, wie die Chroniken berichten... Außer "Der Gans" wurden in Zittau als Gefängnis noch "Der Wolf", die "Alte Schuldkammer" sowie die sogenannte "Büttelei" (das "Polizeigefängnis") zum "Verstricken" gebraucht.


Die wichtigste Einrichtung des alten Rathauses war aber ohne Zweifel die Weinstube und der geräumige Weinkeller, deren Erlöse allein dem Rat zugute kamen, denn der Weinschank war im Mittelalter und der beginnenden Neuzeit ein ausschließliches Ratsprivileg. Deshalb traf der Oberlausitzer Pönfall von 1547 den Zittauer Rat auch besonders hart, als ihm der böhmische König Ferdinand I das Weinschankprivileg entzog. Es konnte erst später mit hohem Aufwand an Geld zurückerworben werden. Zwischenzeitlich hat man sich deshalb mit Bier begnügen müssen (dem Bürgergetränk jener Zeit), zu dessen Lagerung große und tiefe Keller unter dem Rathaus und den Bierhöfen der Bürgerhäuser angelegt wurden. Diese zahlreichen Keller bilden noch heute unter der Stadt eine geheimnisvolle Welt für sich und wurden nach und nach untereinander verbunden. Einen besonders Eindrucksvollen kann man z.B. im Blumengeschäft Waurick in der Johannisstraße bewundern. Einfach mal hingehen, einen Blumenstrauß und einen Wahnsinns-Räucherkäse kaufen und mal dezent fragen, ob man mal den Keller besichtigen darf. Es lohnt sich... Sie können es mir glauben.

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