Donnerstag, 29. Dezember 2011

Mikenhaner Steine bei Habichtsstein unweit von Neugarten (Zahradky) in Nordböhmen





Südöstlich von Böhmisch Leipa (Ceska Lipa) erheben sich links von der Straße Richtung Bösig und Jungbunzlau (Mlada Boleslav) auf der Höhe vom Habichtstein (Jestrebi) die sogenannten Mikenhaner Steine (Provodinske kameny). Insbesondere der "Kahle Felsen" (Lysa skala), früher kurz Kahlstein genannt, ist eine sehr auffällige Dominante der ansonsten recht flachen Landschaft östlich des Kummergebirges. Wäre er etwa doppelt bis dreimal so hoch, dann könnte man ihn durchaus für einen kleinen Bruder des Devil Towers in Arizona halten. Aber auch so ist der herausgewitterte Basaltschlot mit seinem Kranz aus naturbelassenen Laubwald, der von artenreichen Hecken mit Trockenrasensäumen umgeben ist, ein wahrer Anziehungspunkt für einen jeden Naturfreund.


Die beste Zeit, den Kahlstein zu besuchen, ist ohne Zweifel der Frühling (wegen der artenreichen Bodenflora an Frühjahrsblühern) und der beginnende Sommer, wenn an seinem Fuß überall und in großer Zahl die Türkenbundlilie blüht. Es ist auch nicht schwierig, seinen Gipfel zu erklimmen, von dem man eine sehr schöne Rundsicht über das Lausitzer Gebirge, das Jeschkengebirge (bei guter Sicht kann man dahinter das Riesengebirge sehen) und - in südlicher Richtung - über die vielen Vulkanberge des rechtselbischen Böhmischen Mittelgebirges hat (Fernglas nicht vergessen).


Blick in Richtung Geltschberg (726 m, Mitte) und Ronberg (552 m) mit einer alten Burg, die erstmalig um 1360 erwähnt wurde. Links der 614 m hohe Wilschtberg in der Daubaer Schweiz.


Blick zum Kleis, dem Berg des Lausitzer Gebirges mit der schönsten Rundumsicht ...


Der Rollberg mit seiner Burg auf dem 696 m hohen Gipfel und einem "Steinernen Meer" auf seiner Südseite.


Hier blicken die beiden Bösige hinter dem Wald hervor...

Der Kahlstein ist der innerste Teil (Schlotbereich) eines tertiären Vulkans, der ansonsten schon völlig verwittert ist. An seiner unteren Westflanke findet man im Felsen bis zu kindskopfgroße schüsselförmige Vertiefungen, die einmal Olivineinschlüsse darstellten. Sobald eine solch Olivindruse freigelegt ist, beginnt das grüne glasige Mineral unter dem Einfluß von Wasser zu verwittern und sich in ein olivgrünes Pulver umzuwandeln. Olivineinschlüsse sind in Basalten nicht selten, nur werden sie selten so groß, wie hier am Kahlstein. Auch wenn man den Felsen ersteigt, wird man in den Basaltsäulen überall - aber kleinere - runde und ovale Vertiefungen finden, die einmal Olivin enthalten haben.




Die Vulkanberge des nördlichen Böhmens sind die östlichsten Ausläufer einer Kette von tertiären Vulkanen, die sich entlang der ostbayerischen Bruchschollenzone über den Eger-Graben, das Böhmische Mittelgebirge bis hin zur Oberlausitz erstreckt. Im Bereich des Kummergebirges (nördlich des Hirschberger Sees) haben sie an vielen Stellen die unterliegende kreidezeitliche Sandsteinplatte durchdrungen (sehr schön z. B. im Rabendörfel am Roll zu sehen) und z.T. eindrucksvolle Kegelberge erschaffen. Als Gesteine herrschen dabei Basalt und Phonolith (beides in vielen Varianten) vor. Sie bilden an manchen Berghängen große Blockfelder ("Steinerne Meere") wie z.B. auf dem Kaltenberg bei Kaltenbach oder auf der Südseite des Rollberges (Ralsko) bei Niemes (Mimon).


Blockfelder auf der Südseite des Roll's


Wenn man diese Vulkanberge besteigt, sollte man daran denken, daß sie seit mehr als 15 Millionen Jahren erloschen sind. Während dieser für uns langen, erdgeschichtlich gesehen aber außergewöhnlich kurzen Zeit haben sie schon mehrere Hundert Meter Höhe durch Verwitterung verloren. Die Hochzeit des mitteltertiären Vulkanismus lag vor 30 bis 15 Millionen Jahren (Oligiozän und erste Hälfte des Miozäns) und hängt mit der Öffnung des Eger-Grabens parallel zum Erzgebirge zusammen. Dieser Grabenbruch (in vielen Punkten vergleichbar mit dem Oberrheingraben) entstand, als sich vor ca. 30 Millionen Jahren die Pultscholle des Erzgebirges zu heben begann. Dabei bildeten sich an dessen südlicher Abbruchkante an alten Schwächezonen in der Erdkruste tektonische Tiefenrisse heraus, aus denen sich wiederum, begleitet von einem mehrere Millionen Jahre andauernden intensiven Vulkanismus, der Eger-Graben entwickelte. Er ist übrigens noch heute tektonisch aktiv, wie die häufig vorkommenden Schwarmbeben in Nordwestböhmen beweisen. Übrigens ist der letzte Vulkanausbruch im Bereich des Eger-Tals noch gar nicht solange her. Vor gerade einmal 720000 Jahren brach hier der Kammerbühl (Kormorni hurka) direkt bei Eger (Cheb) aus und hinterließ den noch heute sichtbaren Schlackenkegel.

Aber kehren wir zurück zum Kahlstein. Er besteht aus wunderbar ausgebildeten, sechseckigen Basaltsäulen, deren Lage Hinweise auf die Abkühlungsgeschichte der einstmals glutflüssigen Basaltlava gibt. Basaltsäulen stehen nämlich immer senkrecht zur Abkühlungsfläche. Außerdem muß die Abkühlung relativ langsam und gleichmäßig erfolgen, damit sich überhaupt Basaltsäulen ausbilden können. Obwohl sie mit ihrem sechs- und manchmal fünfeckigen Querschnitt wie Kristalle aussehen, hat ihre Entstehung nichts mit Kristallbildung zu tun. Sie entstehen vielmehr dadurch, daß bekanntlich mit der Abkühlung eine Volumenverringerung einher geht, die zu einem Aufbau eines Spannungsfeldes im sich abkühlenden Gestein führt. Übersteigt die (mechanische) Spannung die Festigkeit des Gesteins, dann bricht es zwangsläufig entlang der Fläche, wo diese Grenzspannung gerade erreicht wird. Als Ergebnis entsteht das in Draufsicht polygonale Wabenmuster, welches man beim Aufstieg auf den Kahlstein unter seinen Füßen deutlich erkennen kann. Wie groß die Säulen im Durchmesser werden (einige Dutzend Zentimeter bis zu mehreren Metern, wie z.B. bei Phonolith), hängt maßgeblich von der mineralogischen Zusammensetzung des Eruptivgesteins ab.


Aber nicht nur für den Geologen ist ein Besuch des Kahlsteins lohnend. Noch viel mehr kann dem Kenner die Natur begeistern. Nicht ohne Grund wurde er unter Naturschutz gestellt. Eine mittlerweile arg ramponierte Informationstafel klärt darüber auf, was es hier Besonderes an Pflanzen und Tieren gibt. 



Während ich die Zauneidechse (Lacerta agilis) schon selbst beobachten konnte, ist es mir trotz nötiger Aufmerksamkeit noch nicht gelungen, die dort auch vorkommende Schlingnatter (Coronella austriaca) zu Gesicht und vor die Kameralinse zu bekommen.


Im Sommer kann man sowohl am Waldsaum als auch auf dem Gipfel eine Vielzahl bunter Schmetterlinge beobachten. So gibt es hier oftmals in großer Zahl den Schwalbenschwanz (Papilio machaon), den Admiral (Vanessa atalanta) und den Distelfalter (Vanessa cardui), die sich alle gern auf exponierten Berggipfeln aufhalten und deren elegantes Segeln man stundenlang zuschauen könnte. 


Am Waldrand findet man u.a. den selten gewordenen Baumweißling (Aporia crataegi), wenn man Glück hat, den Segelfalter (Iphiclides podalirius) und auch den Postillion (Colias croceus) konnte ich hier schon fotografieren. 


Im Gras läßt sich der Rotrandbär (Diacrisia sannio) aufscheuen und an den Stellen, wo im Sommer der Natternkopf wächst, ist auch das Taubenschwänzchen (der eher einem Kolibri als einem Schmetterling ähnelt) ab und an zu sehen, wie es im Fluge seinen langen Rüssel in dessen tiefe Blütenrören versenkt, um Treibstoff in Form von Nektar zu tanken...


Der Basalt, der in der Lage ist, viel Wärme zu speichern, begünstigt das Vorkommen einer wärmeliebenden Vegetation. Wenn man den Gipfel erklommen hat, betritt man eine Pflanzengesellschaft, die man als Felsenheide bezeichnet. 



Die Grasflächen werden u.a. durch den Blassen Schafschwingel (Festuca pallens), das Siebenbürger Perlgras (Melica transsilvanica) und das Sand-Federgras (Stipa joannis) gebildet. Dazwischen wächst überall das Frühlings-Fingerkraut, das Berg-Steinkraut sowie besonders hübsche Varianten des Wilden Stiefmütterchens. 


Zwischen den Felsen findet man das Ausläufer-Fransenhauswurz (Jovibara sobolifera) und, als besondere Seltenheit, den Meergrünen Bergfenchel (Seseli osseum). 


Ausläufer-Fransenhauswurz

Weiterhin werden die warmen Felsen von der Gewöhnlichen Zwergmispel (Cotoneaster integerrimus) und der Echten Mehlbeere (Sorbus aria) besiedelt. An weniger trockenen Stellen wächst im Sommer in größeren Beständen das Schwalbenwurz (Vincetoxicum hirundinaria), welches wiederum von der hübschen Ritterwanze (Lygaeus equestris) besiedelt wird. 


Bemerkenswert ist auch das häufige Vorkommen des Blaugrünen Labkrauts (Galium glaucum). 


Besucht man im Frühjahr den Kahlstein, dann sollte man auch auf seinen Laubwaldgürtel achten. Dort findet man fast alles, was es so an bekannten Frühjahrsblühern gibt: Leber-Blümchen, Wald-Schlüsselblumen, mehrere Arten von Veilchen, Gelbes und Weißes Buschwindröschen, Frühlings-Platterbse, Hasel- und Waldbingelkraut, Vielblütige Weißwurz usw. 


Ende Mai kann man auf der Südseite große Flächen mit Pechnelken und Zypressenwolfsmilch sowie von kleinem Habichtskraut bewundern und im Sommer blühen im lichten Laubwald in großer Zahl Türkenbundlilien.


Um auch noch etwas Geschichtsträchtigkeit hineinzubringen, sollte man den Besuch des Kahlsteins mit einem Besuch der unweit gelegenen Felsenburg Habichtsstein (Jestrebi) verbinden...


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