Mittwoch, 15. Dezember 2010

Elefantensteine


Fährt man entlang der E442 von Ringelshain (Rynoltice) aus in Richtung Reichenberg (Liberec), dann erkennt man in der Höhe von Deutsch Pankratz (Jitrava) auf der linken Seite am Waldrand einige große, sehr helle und außergewöhnlich runde Steine, die aus den Bäumen hervorblicken. Es handelt sich dabei um die sogenannten „Weißen Steine“ (Bile kameny), die aufgrund ihrer Form – sie ähneln Elefantenrücken - auch „Elefantensteine“ (Sloni kameny) genannt werden. Sie liegen an der südlichen Kante des Trögelsberges (Vysoka). Man kann sie leicht von einem kleinen Parkplatz aus erreichen, der sich direkt links an der E442 befindet (in Richtung Liberec gesehen). Von dort führt ein ca. 500 Meter langer Feldweg direkt zu dem ca. 20 m hohen Felsengebilde.




Da die gerundeten Formen und die für Sandstein ungewöhnlich helle Farbe der Felsen irgendwie an Elefantenrücken erinnern, werden die Weißen Steine im Volksmund auch als „Elefantensteine“ bezeichnet. Eine zweisprachige Informationstafel am Fuße des größten Einzelfelsens informiert über die Geologie sowie über die Tier- und Pflanzenwelt dieser aus mehreren, durch Spalten getrennten Blöcken bestehenden Felsengruppe. Es lohnt sich auf jeden Fall,  einmal entlang der ausgetretenen Pfade  das Felsengebilde zu umrunden. Im oberen Teil besteht für den geübten Kletterer sogar die Möglichkeit, über einen durch tiefe Trittsiegel im Felsen gekennzeichneten Aufstieg den Felsen zu erklimmen (was aber nicht gern gesehen wird, da die Weißen Steine seit 1955 unter Naturschutz stehen). Aber Achtung, es ist einfacher hinaufzukommen als wieder herabzusteigen! Von oben hat man übrigens eine schöne Aussicht in Richtung Deutsch Pankratz (Jitrava) mit seiner auffälligen, im Jahre 1710 erbauten St. Pankratius-Kirche sowie zum Roll, mit seiner mittelalterlichen Burgruine.


Die ungefähr 20 Meter hohen Weißen Steine gehören einer Sandsteinformation an, die in der oberen Kreide, genauer im Cenomanium (d.h. vor ca. 96 Millionen Jahren), in einem flachen Meer abgelagert wurde. Davon zeugen Abdrücke der Schalen von Weichtieren, die man in den Steinbrüchen der unmittelbaren Umgebung in ähnlich alten Schichten aufgefunden hat.  Zu nennen ist z.B. der Ammonit Acanthoceras rothomagense und die Muschel Inoceramus pictus, die als Leitfossil für das obere Cenoman gilt.




Der anliegende Cenomansandstein ist sehr weich und durch seinen hohen Gehalt an Kaolinit auch außergewöhnlich hell (Kaolinit ist ein relativ weiches Tonmineral). An deren Basis kann man deutlich eine Schichtung erkennen und außerdem feststellen, daß die Blöcke offensichtlich schräggestellt sind. Diese Schiefstellung trat erst im Tertiär ein, als entlang einer Schwächezone die obere Erdkruste zwischen dem Elbtal bei Weinböhla / Meißen und dem Riesengebirge zerbrach und dabei eine Verwerfungslinie bildete, welche im nördlichen Teil das unterliegende Granitgebirge um einige Hundert Meter anhob. In ihrem „Schatten“ blieben die Sandsteinformationen der böhmischen Sandsteintafel (und der Sächsischen Schweiz) erhalten, während nördlich des Lausitzer Gebirges der Granit die Oberflächenmorphologie der Landschaft bestimmt. Diese Verwerfung, die man im Detail im Kohlhau-Tal (Údolí Milířky) bei Niedergrund (Dolni Podluzi) studieren kann, ist die Lausitzer Verwerfung oder Lausitzer Überschiebung, wie man sie früher genannt hat. Im Bereich der Weißen Steine macht sie sich außerdem an einer Überschiebung jüngerer turoner Sandsteine über die älteren Cenomansandsteine bemerkbar.


Die durch die Wirkungen der Lausitzer Verwerfung an die Oberfläche gelangten Cenomansandsteine waren einer starken Erosion ausgesetzt, bei der sich die senkrechten Spalten, welche die Blöcke heute voneinander trennen, gebildet haben. Ihre endgültige Form verdanken sie aber der baumlosen Zeit nach der letzten Eiszeit (Weichsel-Kaltzeit), wo ihr oberer, kaolinreicher Teil durch Winderosion abgeschliffen wurde und die Felsblöcke auf dieses Weise ihre heutige abgerundete Gestalt erhielten.


Außerdem soll noch eine weitere geologische Besonderheit erwähnt werden. So wurden unweit der Weißen Steine die Reste einer eiszeitlichen Endmoräne entdeckt, die beweist, daß es während der Elsterkaltzeit (vor 475000-370000 Jahren) an dieser Stelle zu einem Durchbruch des Inlandeises über das Zittauer Gebirge gekommen ist.


Der Boden in unmittelbarer Umgebung der Weißen Steine ist sehr sandig und nährstoffarm, so daß man hier in der Bodenschicht höchstens Heidekraut und Preiselbeerbüsche findet. Auf dem Felsen kann man im Sommer an Stellen, in denen Mutterboden eingetragen wurde, das Vorkommen von Waldhabichtskraut beobachten. Ansonsten ist bis auf ein paar Gräser oder klein gebliebenen Birken und Kiefern kein nennenswerter  Pflanzenwuchs festzustellen.  Die an ihren unteren Teil feuchten Felsen dagegen, welche die Ränder der senkrechten Spalte bilden, sind mit anspruchslosen Flechten, Farnen und Moosen besiedelt. An etwas trockeneren Stellen kommt die nicht sehr häufige, aber thermophile Zahnlose Schließmundschnecke (Balea perversa) vor. Sie ist sehr schlank, aber mit ihrem nur 7 bis 10 Millimeter langen Gehäuse leicht zu übersehen. Aufgrund ihrer hohen Gefährdung steht sie auf der europäischen Roten Liste.




Mit sehr viel Glück kann man an heißen Tagen auf den kleinen herumliegenden Gesteinsbrocken auch ab und zu Zauneidechsen, (deren Männchen leuchtendgrün, und deren Weibchen braun sind)  oder die mehr bräunlichen Waldeidechsen bei einem Sonnenbad beobachten.

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